EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

Hi,

Jetzt hat das EU-Parlament auf Druck der Medien-Mafia ein Gesetz
verabschiedet, das Filesharing mit gewerblichem Raubkopie-Handel
gleichstellt und es Content-Anbietern erlaubt, sich bei einem Richter
einen Durchsuchungsbeschluss ausstellen zu lassen, mit dem sie - ohne
Polizei - die Wohnung des Verdaechtigen durchsuchen und entsprechendes
Equipment beschlagnahmen duerfen.

Da die Umsetzung in nationales Recht noch aussteht und einige
Formulierungen sehr schwammig sind: Ist das ueberhaupt mit dem
Grundgesetz vereinbar? Der 1. Senat hat ja gerade (Lauschangriff) die
Unverletzlichkeit der Wohnung gestaerkt; und AFAIK gibt es bisher kein
Gesetz, das jemand anderem als Staatsorganen die Durchsuchung von
Privatwohnungen gestattet.

Darum meine Frage an die, die sich mit sowas auskennen: Haette ein
entsprechendes Gesetz in Deutschland bestand?

Tnx,

Jan

Re: EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

Jan Hladik schrieb:

> Jetzt hat das EU-Parlament auf Druck der Medien-Mafia ein Gesetz
> verabschiedet, das Filesharing mit gewerblichem Raubkopie-Handel
> gleichstellt und es Content-Anbietern erlaubt, sich bei einem Richter
> einen Durchsuchungsbeschluss ausstellen zu lassen, mit dem sie - ohne
> Polizei - die Wohnung des Verdaechtigen durchsuchen und entsprechendes
> Equipment beschlagnahmen duerfen.

Das kann ich jedenfalls dem Entwurf der entsprechenden Richtlinie
()
und auch den Änderungsanträgen dazu
()
nicht entnehmen. Zitier doch bitte die Passagen, die deiner Ansicht nach
eine Hausdurchsuchung durch Beauftragte des Content-Anbieters ermöglichen?

> Da die Umsetzung in nationales Recht noch aussteht und einige
> Formulierungen sehr schwammig sind: Ist das ueberhaupt mit dem
> Grundgesetz vereinbar?

Die Richtlinie ist m.E. zwar an einigen Stellen datenschutzrechtlich
bedenklich. Aber deine obige Behauptung finde ich darin nicht wieder.

> Darum meine Frage an die, die sich mit sowas auskennen: Haette ein
> entsprechendes Gesetz in Deutschland bestand?

Kaum, denke ich.

.... Martin

Re: EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

Jan Hladik wrote:

> Darum meine Frage an die, die sich mit sowas auskennen: Haette ein
> entsprechendes Gesetz in Deutschland bestand?

Kaum. Die Kalkulation dahinter ist wahrscheinlich, dass eine
Verfassungsbeschwerde eine ganze Weile braucht und man erstmal das
Gesetz in vollen Zügen ausnutzt, bis sie dann durch ist.

Re: EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

Martin Bienwald wrote:
> =

> Jan Hladik schrieb:
> =

> > Jetzt hat das EU-Parlament auf Druck der Medien-Mafia ein Gesetz
> > verabschiedet, das Filesharing mit gewerblichem Raubkopie-Handel
> > gleichstellt und es Content-Anbietern erlaubt, sich bei einem Richter=

> > einen Durchsuchungsbeschluss ausstellen zu lassen, mit dem sie - ohne=

> > Polizei - die Wohnung des Verdaechtigen durchsuchen und entsprechende=
s
> > Equipment beschlagnahmen duerfen.
> =

> Das kann ich jedenfalls dem Entwurf der entsprechenden Richtlinie
> ()
> und auch den Änderungsanträgen dazu
> (
-2003-0468+0+DOC+XML+V0//DE&L=3DDE&LEVEL=3D2&NAV =3DS&LSTDOC=3DY#Content5c=
4308)
> nicht entnehmen. Zitier doch bitte die Passagen, die deiner Ansicht nac=
h
> eine Hausdurchsuchung durch Beauftragte des Content-Anbieters ermögli=
chen?

Hi Martin,

Ich gebe zu, dass ich den Entwurf nicht selbst gelesen, sondern meine
Informationen aus Kommentaren (allerdings von serioesen Quellen - heise
online) habe. Da heisst es:

Andreas Dietl von der "European Digital Rights"-Initiative (EDRi) sieht
die Sache anders und spricht von "Vernebelungsmanövern". Wer
Kopierschutztechniken umgehe und Songs aus P2P-Netzen herunterlade, wird
seiner Meinung nach "interessant für Verfahren nach Artikel 8", welche
den "Beweisschutz" regeln. Demnach könne ein Rechteinhaber mit einem
leicht zu erhaltenden Schreiben vom Richter zum angeblichen
Urheberrechtsverletzer gehen, eine Hausdurchsuchung vornehmen und
Beweismaterial kopieren oder mitnehmen. "Die EU-Direktive sagt noch
nicht einmal, dass die Durchsuchung von der Polizei vorgenommen werden
muss", betont Dietl. Zudem handele es sich um eine Pflichtvorschrift,
die von den bald 25 Mitgliedsstaaten zwingend umgesetzt werden müsse.

(Quelle: )

Das findet man aber auch in den von dir geposteten Aenderungsantraegen,
in einem von denen wird z.B. bei Artikel 8 die Forderung gestrichen,
dass "nachweislich die Gefahr der Beweismittelvernichtung" besteht. =


Der (wohl) endgueltige Par. 8 ist z.B. hier:



Ciao,

Jan

Re: EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

Jan Hladik:

> Jetzt hat das EU-Parlament auf Druck der Medien-Mafia ein Gesetz
> verabschiedet, das Filesharing mit gewerblichem Raubkopie-Handel
> gleichstellt und es Content-Anbietern erlaubt, sich bei einem Richter
> einen Durchsuchungsbeschluss ausstellen zu lassen, mit dem sie - ohne
> Polizei - die Wohnung des Verdaechtigen durchsuchen und entsprechendes
> Equipment beschlagnahmen duerfen.

So langsam ist Indymedia ins Groteske gerutscht.

Ozan

Re: EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

Jan Hladik schrieb:

> Wer
> Kopierschutztechniken umgehe und Songs aus P2P-Netzen herunterlade, wird
> seiner Meinung nach "interessant für Verfahren nach Artikel 8", welche
> den "Beweisschutz" regeln. Demnach könne ein Rechteinhaber mit einem
> leicht zu erhaltenden Schreiben vom Richter zum angeblichen
> Urheberrechtsverletzer gehen, eine Hausdurchsuchung vornehmen und
> Beweismaterial kopieren oder mitnehmen.

Das steht dort so nicht. Dort steht nur, daß die Gerichte die Sicher-
stellung der Beweismittel (beispielsweise durch die Polizei) anordnen
müssen. Es ist nicht die Rede davon, daß der Rechteinhaber das selbst
mit einem Schrieb des Gerichts erledigen dürfe.

> "Die EU-Direktive sagt noch
> nicht einmal, dass die Durchsuchung von der Polizei vorgenommen werden
> muss", betont Dietl.

Das muß sie m.E. auch nicht, denn das sagen die nationalen Vorschriften
über Durchsuchungen in hinreichender Deutlichkeit - zumindest hierzulande.

Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß irgendein Mitgliedsland der EU
in seinen Gesetzen Hausdurchsuchungen durch private Firmen vorsieht.

.... Martin

Re: EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

"Jan Hladik" <
Martin Bienwald wrote:

>> Jan Hladik schrieb:
>>
[...]

>Ich gebe zu, dass ich den Entwurf nicht selbst gelesen, sondern meine
>Informationen aus Kommentaren (allerdings von serioesen Quellen - heise
>online) habe. Da heisst es:

Heise kann man nur sehr bedingt als seriöse Quelle bezeichnen.
Dies erscheint mir ein gutes Beispiel für ein typische
Realitätsverzerrung.

Gruß,
Gerlinde

Re: EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

Gerlinde Seidel wrote:

>>Ich gebe zu, dass ich den Entwurf nicht selbst gelesen, sondern meine
>>Informationen aus Kommentaren (allerdings von serioesen Quellen - heise
>>online) habe. Da heisst es:
> Heise kann man nur sehr bedingt als seriöse Quelle bezeichnen.

Vielleicht hat man sich da einmal zu oft von Slashdot inspirieren lassen.

Mir scheint jedenfalls, ich hätte dort einen ähnlich gehaltenen Artikel
gesehen.

--
Ciao, Heiko...

Re: EU-Copyright-Richtlinie mit GG vereinbar?

Maik Zumstrull wrote:

>> Darum meine Frage an die, die sich mit sowas auskennen: Haette ein
>> entsprechendes Gesetz in Deutschland bestand?
> Kaum. Die Kalkulation dahinter ist wahrscheinlich, dass eine
> Verfassungsbeschwerde eine ganze Weile braucht und man erstmal das
> Gesetz in vollen Zügen ausnutzt, bis sie dann durch ist.

§32 Abs.1 BVerfGG.

--
Ciao, Heiko...