Zivilprozess

Zivilprozess

am 16.07.2006 18:23:10 von Florian Kleinmanns

Hallo,

gegeben sei ein Zivilprozess, in dem sich die Parteien um eine Kaufsache
streiten.

Der Kläger behauptet, er habe eine Sache für EUR 100 vom Beklagten
gekauft. Er beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die (genau bezeichnete) Sache an ihn zu
übergeben und zu übereignen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, der Kläger habe die Sache für EUR 200 gekauft.

Wie wird das Gericht entscheiden? Darf es zugunsten des Klägers einen
Kaufvertragsschluss annehmen, obwohl dieser für ein essentialium negotii
- den Kaufpreis - beweisfällig bleibt?

Grüße
Florian
--
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Re: Zivilprozess

am 17.07.2006 08:27:49 von Ronald Becker

"Florian Kleinmanns" <> schrieb

> Der Kläger behauptet, er habe eine Sache für EUR 100 vom Beklagten
> gekauft. Er beantragt,
>
> den Beklagten zu verurteilen, die (genau bezeichnete) Sache an ihn zu
> übergeben und zu übereignen.
>
> Der Beklagte beantragt,
>
> die Klage abzuweisen.
>
> Er behauptet, der Kläger habe die Sache für EUR 200 gekauft.
>
> Wie wird das Gericht entscheiden? Darf es zugunsten des Klägers einen
> Kaufvertragsschluss annehmen, obwohl dieser für ein essentialium negotii
> - den Kaufpreis - beweisfällig bleibt?

Beide Parteien sind sich einig über das Zustandekommen eines Kaufvertrages,
nur die Kaufpreishöhe ist streitig. Daher könnte es naheliegen anzunehmen,
der Be habe die Wirksamkeit des Kaufvertrages zugestanden, § 138 III ZPO.

Die einvernehmliche Behauptung, es sei ein Kaufvertrag zustandegekommen, ist
aber keine Tatsachen, sondern eine Rechtsbehauptung, auf die § 138 III ZPO
grundsätzlich keine Anwendung findet. Es müßte also geklärt werden, welche
Tatsachen im Prozeß vorgetragen und bestritten werden.

Stellt sich heraus, daß in bezug auf die Kaufpreishöhe ein (versteckter)
Dissens der Parteien vorliegt, wird die Klage unbegründet sein.

R.B.

Re: Zivilprozess

am 17.07.2006 12:55:32 von Chris Zappa

On Sun, 16 Jul 2006 18:23:10 +0200, Florian Kleinmanns
<> wrote:

>Hallo,
>
>gegeben sei ein Zivilprozess, in dem sich die Parteien um eine Kaufsache
>streiten.
>
>Der Kläger behauptet, er habe eine Sache für EUR 100 vom Beklagten
>gekauft. Er beantragt,
>
> den Beklagten zu verurteilen, die (genau bezeichnete) Sache an ihn zu
> übergeben und zu übereignen.
>
>Der Beklagte beantragt,
>
> die Klage abzuweisen.
>
>Er behauptet, der Kläger habe die Sache für EUR 200 gekauft.
>
>Wie wird das Gericht entscheiden? Darf es zugunsten des Klägers einen
>Kaufvertragsschluss annehmen, obwohl dieser für ein essentialium negotii
>- den Kaufpreis - beweisfällig bleibt?
>
>Grüße
>Florian


Der Kläger ist im Prozeß beweispflichtig für die behauptete Tatsache,
daß ein KV über 100 € zustandegekommen ist. Der B bestreitet das
substantiiert.
Gelingt dem K der Nachweis nicht, muß der Richter von einem Dissens
ausgehen, weil man sich über wesentliche Teile des Vertrages nicht
geeinigt hat. Die Klage ist daher als unbegründet abzuweisen.
MfG
Chris Zappa

Bitte nur in der NG antworten!

Re: Zivilprozess

am 17.07.2006 22:35:58 von axbnospamatall

Am Mon, 17 Jul 2006 08:27:49 +0200 schrieb "Ronald Becker"
<>:

>Beide Parteien sind sich einig über das Zustandekommen eines Kaufvertrages,
>nur die Kaufpreishöhe ist streitig.

Kann ein vertrag nicht nur dann zustandekommen, wenn zwei
gleichlautende Willenserklärungen vorliegen?
Da der Wille bezüglich des Kaufpreises unterschiedlich ist, kann
eigentlich ein Vertrag gar nicht zustandegekommen sein.

Grüße

Axel

Re: Zivilprozess

am 17.07.2006 23:22:31 von brueni.nospam

Florian Kleinmanns schrieb:

> gegeben sei ein Zivilprozess, in dem sich die Parteien um eine Kaufsache
> streiten.
>
> Der Kläger behauptet, er habe eine Sache für EUR 100 vom Beklagten
> gekauft. Er beantragt,
>
> den Beklagten zu verurteilen, die (genau bezeichnete) Sache an ihn zu
> übergeben und zu übereignen.
>
> Der Beklagte beantragt,
>
> die Klage abzuweisen.
>
> Er behauptet, der Kläger habe die Sache für EUR 200 gekauft.
>
> Wie wird das Gericht entscheiden? Darf es zugunsten des Klägers einen
> Kaufvertragsschluss annehmen, obwohl dieser für ein essentialium negotii
> - den Kaufpreis - beweisfällig bleibt?

Nein, eigentlich nicht.
Ohne Preis kein Vertrag, also muß Kläger die Einigung über den Preis
beweisen, um seinen Anspruch aus dem KV geltend machen zu können.

Das weißt Du aber alles selber, deswegen wirds da noch einen Haken
geben, oder?

Christoph

Re: Zivilprozess

am 17.07.2006 23:51:23 von brueni.nospam

Axel Böhm schrieb:
> Am Mon, 17 Jul 2006 08:27:49 +0200 schrieb "Ronald Becker"
> <>:
>
>> Beide Parteien sind sich einig über das Zustandekommen eines Kaufvertrages,
>> nur die Kaufpreishöhe ist streitig.
>
> Kann ein vertrag nicht nur dann zustandekommen, wenn zwei
> gleichlautende Willenserklärungen vorliegen?

Nein, es ist ausreichend, wenn die Parteien meinen, sie hätten sich
über alle Dinge geeinigt und die Vertragsparteien sich tatsächlich
mindestens über die wesentlichen Umstände, die "essentialia negotii",
einig sind.

Im Ausgangsfall sind sich die Parteien gerade nicht einig über einen
wesentlichen Umstand und damit über einen wirksamen Vertragsschluß
bzw. dem Bestand eines Vertrages. Sie tragen über den Kaufpreis
unterschiedlich vor.

Es liegt nun an dem Kläger, die Einigung zu beweisen.

> Da der Wille bezüglich des Kaufpreises unterschiedlich ist, kann
> eigentlich ein Vertrag gar nicht zustandegekommen sein.

Yep, aber nur weil der Preis ein wesentlicher Bestandteil ist.
Über einen nicht wesentlichen Umstand kann ein versteckter Dissens
vorliegen ohne dass es die Wirksamkeit des Vertrages berührt.

Christoph

Re: Zivilprozess

am 18.07.2006 16:32:13 von Ronald Becker

"Axel Böhm" <> schrieb

> Kann ein vertrag nicht nur dann zustandekommen, wenn zwei
> gleichlautende Willenserklärungen vorliegen?

Dann würde in der Praxis so gut wie kein Vertrag zustande kommen, da
derjenige, der die Annahme des Angebotes erklärt, wohl nie das Angebot
wortgleich wiederholt. ;-)

Im Prinzip hast Du aber recht. Es muß grundsätzlich ein Konsens zwischen den
Parteien bestehen. Doch nicht jeder Dissens muß zur Unwirksamkeit des
Vertrages führen. Besteht keine Einigung über wesentliche Vertragspunkte,
wie etwa der Kaufpreis, ist der Kaufvertrag unwirksam.

> Da der Wille bezüglich des Kaufpreises unterschiedlich ist, kann
> eigentlich ein Vertrag gar nicht zustandegekommen sein.

Ja. Denn der Kaufpreis ist bei einem Kaufvertrag grundsätzlich immer
wesentlich. Dies trifft etwa für die Leistungszeit nicht in jedem Fall zu.

R.B.