Strukturelle Vollzugsdefizite und BVerfG 2 BvL 17/02
Strukturelle Vollzugsdefizite und BVerfG 2 BvL 17/02
am 09.03.2004 11:33:06 von Henning Schlottmann
Hi Leute,
heute morgen hat das BVerfG die Besteuerung von Spekulationsgewinnen in
den Jahren 1997/98 für verfassungswidrig erklärt. Zur Begründung zitiere
ich den 2. Leitsatz:
| Verfassungsrechtlich verboten ist der Widerspruch zwischen dem
| normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und
| der nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregel. Zur
| Gleichheitswidrigkeit führt nicht ohne weiteres die empirische
| Ineffizienz von Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des
| widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts.
Das kann heiter werden. In Zukunft wird sich jeder Adressat einer
Verbots- oder Gebotsnorm darauf berufen, dass nicht nur ein empirisches
Vollzugsdefizit besteht, sondern dieses bereits in der Ausgestaltung der
Überwachungs- und Vollzugsmaßnahmen strukturell angelegt war.
Geschwindigkeitsbegrenzungen anyone? Grenzüberschreitende Umsatzsteuer?
Aber nach Schätzungen von Gerichtsmedizinern werden auch nur ein Drittel
bis die Hälfte der Tötungsdelikte als solche erkannt, weil zu wenig
obduziert wird ...
Ciao Henning
Re: Strukturelle Vollzugsdefizite und BVerfG 2 BvL 17/02
am 09.03.2004 13:52:23 von Mark Obrembalski
Henning Schlottmann <> schrieb:
> Das kann heiter werden. In Zukunft wird sich jeder Adressat einer
> Verbots- oder Gebotsnorm darauf berufen, dass nicht nur ein empirisches
> Vollzugsdefizit besteht, sondern dieses bereits in der Ausgestaltung der
> Überwachungs- und Vollzugsmaßnahmen strukturell angelegt war.
>
> Geschwindigkeitsbegrenzungen anyone?
Wieso? de.soc.recht.strassenverkehr ist voll von Postings, die sich
über eine viel zu effektive Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen
beklagen...
Love and Peace,
Mark
--
Deutsche Gesetze im WWW:
NEU: Bayerisches Landesrecht:
Re: Strukturelle Vollzugsdefizite und BVerfG 2 BvL 17/02
am 09.03.2004 15:02:34 von Niels Bock
Henning Schlottmann <> schrieb:
>Das kann heiter werden. In Zukunft wird sich jeder Adressat einer
>Verbots- oder Gebotsnorm darauf berufen, dass nicht nur ein empirisches
>Vollzugsdefizit besteht, sondern dieses bereits in der Ausgestaltung der
>Überwachungs- und Vollzugsmaßnahmen strukturell angelegt war.
>
>Geschwindigkeitsbegrenzungen anyone? Grenzüberschreitende Umsatzsteuer?
Wo ist denn in der StVO strukturell angelegt, daß man nicht an jeder
Straßenecke eine automatische Radarfalle aufstellen kann?
>Aber nach Schätzungen von Gerichtsmedizinern werden auch nur ein Drittel
>bis die Hälfte der Tötungsdelikte als solche erkannt, weil zu wenig
>obduziert wird ...
Auch das ist IMHO nur ein faktisches, aber kein bereits im Strafrecht
normativ angelegtes Vollzugsdefizit.
--
Viele Grüße
____________________________________________________________ _________
Niels Bock PGP key ID: 0xF5A96559
Re: Strukturelle Vollzugsdefizite und BVerfG 2 BvL 17/02
am 09.03.2004 15:59:23 von Henning Schlottmann
Niels Bock wrote:
> Henning Schlottmann <> schrieb:
>
> >Das kann heiter werden. In Zukunft wird sich jeder Adressat einer
> >Verbots- oder Gebotsnorm darauf berufen, dass nicht nur ein empirisches
> >Vollzugsdefizit besteht, sondern dieses bereits in der Ausgestaltung der
> >Überwachungs- und Vollzugsmaßnahmen strukturell angelegt war.
> >
> >Aber nach Schätzungen von Gerichtsmedizinern werden auch nur ein Drittel
> >bis die Hälfte der Tötungsdelikte als solche erkannt, weil zu wenig
> >obduziert wird ...
>
> Auch das ist IMHO nur ein faktisches, aber kein bereits im Strafrecht
> normativ angelegtes Vollzugsdefizit.
Die deutsche Regelung, dass jeder Hausarzt den Totenschein ausstellen
darf und die normativ bestehenden Sorgfaltspflichten in vielen Fällen
nicht beachtet werden, in Verbindung mit der extrem geringen
Obduktionsrate und der mangelnden Ausstattung der Rechtsmedizinischen
Einrichtungen könnte man schon als strukturell ansehen.
Ciao Henning
Re: Strukturelle Vollzugsdefizite und BVerfG 2 BvL 17/02
am 09.03.2004 17:56:33 von Oliver Much
Henning Schlottmann <> writes:
> Die deutsche Regelung, dass jeder Hausarzt den Totenschein ausstellen
> darf
Was nicht heißt, daß nicht weiter ermittelt werden kann.
> und die normativ bestehenden Sorgfaltspflichten in vielen Fällen
> nicht beachtet werden,
Welche Sorgfaltspflichten, die wer beachten muß?
> in Verbindung mit der extrem geringen
> Obduktionsrate und der mangelnden Ausstattung der Rechtsmedizinischen
> Einrichtungen könnte man schon als strukturell ansehen.
Also nur tatsächlich und nicht rechtlich.