Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 09.03.2004 09:20:38 von Thomas Hochstein

Die Meldegesetze der Ländern dürften in der Regel analog dem MRRG auch
eine Regelung über eine Auskunftssperre enthalten, die bei
berechtigtem Interesse gesetzt wird und dazu führt, dass Auskünfte nur
dann erteilt werden, wenn bei der Beantragung der Auskunft ein
ebensolches nachgewiesen wird, dieses das Interesse des Betroffenen
überwiegt, dieser angehört wurde und keine Gefahr für Leib, Leben und
Gesundheit für den Betroffenen entsteht - so lese ich jedenfalls
beispielhaft die Regelung in § 33 MRG Ba-Wü.

Nehmen wir jetzt an, im Wege der privatrechtlichen Rechtsverfolgung
habe ein Herr A ein (Versäumnis-)Urteil erstritten, das aber dem
Beklagten B an der alten Adresse nicht mehr zustellbar ist. Auf eine
aus der Aufforderung des Gerichts zur Benennung einer (neuen)
ladungsfähigen Anschrift des B resultierende Anfrage bei Melderegister
bekommt A die Auskunft "Auskunft dürfen wir nicht erteilen, und warum
wir das nicht dürfen, dürfen wir auch nicht sagen" (sicherlich bei
näherer Überlegung sinnvoll, aber im ersten Moment dann doch kafkaesk
erscheinend).

Kann A nun das Gericht ersuchen, es möchte die Anschrift feststellen
und dann das Urteil zustellen? Das Gericht müsste die Auskunft AFAIS
trotz Sperre enthalten, weil bei solchen Anfragen die Prüfung der
Berechtigung nicht durch die Meldebehörde, sondern die anfragende
öffentliche Stelle erfolgt. Aber: darf und wird es überhaupt von Amts
wegen ermitteln? Und falls es die Auskunft dann hat, darf es sie trotz
Auskunftssperre auch für die Zustellung verwerten? Ohne zu wissen,
*warum* die Sperre gesetzt wurde? Die sonst im Gesetz verlangte
Abwägung kann das Gericht mangels der Begündung für die Sperre ja
nicht vornehmen.

Ich denke da wohl etwas um die Ecke, scheint mir, denn zu einer
verwertbaren Lösung für meine Fragen komme ich so irgendwie nicht.

Jemand eine Idee?

-thh

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 09.03.2004 14:09:46 von garibaldi000

Thomas Hochstein schreibt:

>Kann A nun das Gericht ersuchen, es möchte die Anschrift feststellen
>und dann das Urteil zustellen?

Außer Art. 17 GG fällt mir dazu ad hoc nicht allzuviel ein, scnr

> Das Gericht müsste die Auskunft AFAIS
>trotz Sperre enthalten, weil bei solchen Anfragen die Prüfung der
>Berechtigung nicht durch die Meldebehörde, sondern die anfragende
>öffentliche Stelle erfolgt.

Dazu müßte das Gericht zunächst den Grund der Sperre wissen.
Also zweistufig, wenn überhaupt?

> Aber: darf und wird es überhaupt von Amts
>wegen ermitteln?

Wohl kaum; jedenfalls sehe ich derzeit keine Rechtsgrundlage.

> Und falls es die Auskunft dann hat, darf es sie trotz
>Auskunftssperre auch für die Zustellung verwerten?
> Ohne zu wissen,
>*warum* die Sperre gesetzt wurde? Die sonst im Gesetz verlangte
>Abwägung kann das Gericht mangels der Begündung für die Sperre ja
>nicht vornehmen.
>
Genau deshalb erst Grund erfragen ...

Es bleibt wohl nur § 185 ZPO.
Leider fehlt eine Parallelnorm für die öffentliche Zwangsvollstreckung ...

Forderung gegen Staat wegen enteignungsgleichen Eingriffs oder ähnlich?
Klar, löst Dein Problem nicht, aber vielleicht das von Herrn A.
Bleibt die Frage: wie beweist Herr A im Bestreitensfalle dem Staat, daß
das Urteil rk geworden und die Zwangsvollstreckung erfolgreich gewesen
wären, da sonst ja kein Schaden entstanden wäre (Gut, für den Kostentitel
bräuchte man keine RK).

--
Inzwischen scheint man sich an den Gedanken gewoehnt zu haben, dass mit den
mittlerweile entwickelten technischen Moeglichkeiten auch deren grenzenloser
Einsatz hinzunehmen ist.
BVerfG, 1 BvR 2378/98 vom 3.3.2004, Absatz-Nr. 373

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 09.03.2004 23:22:30 von e.naundorf

Thomas Hochstein schrieb:

> Kann A nun das Gericht ersuchen, es möchte die Anschrift feststellen
> und dann das Urteil zustellen? Das Gericht müsste die Auskunft AFAIS
> trotz Sperre enthalten, weil bei solchen Anfragen die Prüfung der
> Berechtigung nicht durch die Meldebehörde, sondern die anfragende
> öffentliche Stelle erfolgt. Aber: darf und wird es überhaupt von Amts
> wegen ermitteln? Und falls es die Auskunft dann hat, darf es sie trotz
> Auskunftssperre auch für die Zustellung verwerten? Ohne zu wissen,
> *warum* die Sperre gesetzt wurde? Die sonst im Gesetz verlangte
> Abwägung kann das Gericht mangels der Begündung für die Sperre ja
> nicht vornehmen.
>
> Ich denke da wohl etwas um die Ecke, scheint mir, denn zu einer
> verwertbaren Lösung für meine Fragen komme ich so irgendwie nicht.
>
> Jemand eine Idee?

Ja. Sonderheft "keine Einsicht" anlegen. Auskunft einholen,
ins Sonderheft wandern lassen und sehen, dass die nicht im
Computer steht. Dorthin schreiben (ZU, E/Rück, wie auch immer),
es werde Gelegenheit zur Benennung eines Zustellbevollmächtigten
oder zur Abholung auf GSt. oder zur Erteilung des Einverständnisses
mit Zustellung unter dieser Anschrift binnen ... gegeben,
anderenfalls einem Antrag auf öffentliche Zustellung stattgegeben
würde. (Zugegeben: ein etwas gequetschtes "Unbekannt"; aber
dass Du [und das Amt] die Anschrift kennen, aber nicht sagen
dürfen, steht der Annahme eines "_allgemein_ unbekannten
Aufenthaltes" nicht wirklich entgegen.)

.... aber: ist denn das VU gesetzmäßig ergangen ...?
Ich mein': ist der erst nach der Ladung abgetaucht?

--
Dr. Christian E. Naundorf alias CEN
"Gelobt sei Gott [...], der uns nach seiner großen Barmherzigkeit
wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die
Auferstehung Jesu Christi von den Toten." (1. Petr. 1, 3)

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 10.03.2004 19:43:20 von Thomas Hochstein

Christian E. Naundorf schrieb:

>> Jemand eine Idee?
>
> Ja. Sonderheft "keine Einsicht" anlegen. Auskunft einholen,
> ins Sonderheft wandern lassen und sehen, dass die nicht im
> Computer steht. Dorthin schreiben (ZU, E/Rück, wie auch immer),
> es werde Gelegenheit zur Benennung eines Zustellbevollmächtigten
> oder zur Abholung auf GSt. oder zur Erteilung des Einverständnisses
> mit Zustellung unter dieser Anschrift binnen ... gegeben,
> anderenfalls einem Antrag auf öffentliche Zustellung stattgegeben
> würde. (Zugegeben: ein etwas gequetschtes "Unbekannt"; aber
> dass Du [und das Amt] die Anschrift kennen, aber nicht sagen
> dürfen, steht der Annahme eines "_allgemein_ unbekannten
> Aufenthaltes" nicht wirklich entgegen.)

Tut es nicht? Hm. So recht überzeugt mich das nicht ... Spricht denn
was dagegen, wenn das Gericht die Zustellung an die neue Adresse
vornimmt, solange diese Adresse dadurch nicht bekannt wird? *grübel*

Aber dann hat man dasselbe Problem bei der Vollstreckung direkt
wieder...

> ... aber: ist denn das VU gesetzmäßig ergangen ...?
> Ich mein': ist der erst nach der Ladung abgetaucht?

Die Ladung war offensichtlich zustellbar, das VU im schriftlichen
Vorverfahren dann nicht mehr.

-thh

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 11.03.2004 00:33:46 von e.naundorf

Thomas Hochstein schrieb:

> Tut es nicht? Hm. So recht überzeugt mich das nicht ...

Wundert mich nicht. Mich auch nicht.
Aber irgendwas muss man ja machen ...

> Spricht denn
> was dagegen, wenn das Gericht die Zustellung an die neue Adresse
> vornimmt, solange diese Adresse dadurch nicht bekannt wird? *grübel*

Dann musst Du die ZU ins Sonderheft packen ...

> Aber dann hat man dasselbe Problem bei der Vollstreckung direkt
> wieder...

Aber es ist nicht _Dein_ Problem ...

> > ... aber: ist denn das VU gesetzmäßig ergangen ...?
> > Ich mein': ist der erst nach der Ladung abgetaucht?
>
> Die Ladung war offensichtlich zustellbar, das VU im schriftlichen
> Vorverfahren dann nicht mehr.

Ladung _und_ Schriftliches Vorverfahren in einem? Seltsam.

--
Dr. Christian E. Naundorf alias CEN
"Gelobt sei Gott [...], der uns nach seiner großen Barmherzigkeit
wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die
Auferstehung Jesu Christi von den Toten." (1. Petr. 1, 3)

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 11.03.2004 09:32:28 von Thomas Hochstein

Christian E. Naundorf schrieb:

>> Spricht denn
>> was dagegen, wenn das Gericht die Zustellung an die neue Adresse
>> vornimmt, solange diese Adresse dadurch nicht bekannt wird? *grübel*
>
> Dann musst Du die ZU ins Sonderheft packen ...

Ja, das ist klar. Aber schadet das?

>> Aber dann hat man dasselbe Problem bei der Vollstreckung direkt
>> wieder...
>
> Aber es ist nicht _Dein_ Problem ...

:)

>>> ... aber: ist denn das VU gesetzmäßig ergangen ...?
>>> Ich mein': ist der erst nach der Ladung abgetaucht?
>> Die Ladung war offensichtlich zustellbar, das VU im schriftlichen
>> Vorverfahren dann nicht mehr.
>
> Ladung _und_ Schriftliches Vorverfahren in einem? Seltsam.

s/Ladung/Klageschrift/

-thh

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 11.03.2004 21:14:13 von Michael Liedtke

"Christian E. Naundorf" <> schrieb am 11 Mar 2004

>> Aber dann hat man dasselbe Problem bei der Vollstreckung direkt
>> wieder...
>
>Aber es ist nicht _Dein_ Problem ...

Dann werde doch jetzt mal konkret:
Mein Schuldner hat eine Auskunftssperre, das Gericht
stellt jedoch irgendwie zu und ich bekomme eine
vollstreckbare Ausfertigung.

Kann ich nun etwa nicht vollstrecken?

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 12.03.2004 10:15:33 von Thomas Hochstein

Michael Liedtke schrieb:

> Mein Schuldner hat eine Auskunftssperre, das Gericht
> stellt jedoch irgendwie zu und ich bekomme eine
> vollstreckbare Ausfertigung.
>
> Kann ich nun etwa nicht vollstrecken?

Doch, sicher. Wenn Du ihn findest.

-thh

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 12.03.2004 19:44:50 von Michael Liedtke

Thomas Hochstein <> schrieb am Fri, 12 Mar 2004

>> Mein Schuldner hat eine Auskunftssperre, das Gericht
>> stellt jedoch irgendwie zu und ich bekomme eine
>> vollstreckbare Ausfertigung.
>>
>> Kann ich nun etwa nicht vollstrecken?
>
>Doch, sicher. Wenn Du ihn findest.

Das glaubst Du jetzt nicht wirklich, oder?

Mal ein Beispiel: Frau X wird regelmäßig von ihrem
Ehemann verprügelt, zieht aus und läßt eine EWO-
Sperre eintragen, weil sie sich vor ihm fürchtet.
Dieser Grund hätte mir als Gläubiger gegenüber die
Folge, dass ich nicht vollstrecken kann, weil
ich die Adresse nicht bekomme?

Es ist mir völlig egal, wo derjenige ist. Ich darf
sowieso nicht selbst aktiv werden, weil der Staat
aus gutem Grunde das Gewaltmonopol hat.
Von daher muss ich also (nur) einen Pfändungsauftrag
an den Gerichtsvollzieher geben und der Staat hat
die Pflicht, in einem recht- und gesetzmäßigen
Verfahren zu vollstrecken.

Es wäre mir auch egal, ob der Gerichtsvollzieher auf
dem Vollstreckungsprotokoll den Ort der vorgenommenen
Pfändung angibt oder nicht.

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 12.03.2004 21:56:14 von Thomas Hochstein

Michael Liedtke schrieb:

>> Doch, sicher. Wenn Du ihn findest.
>
> Das glaubst Du jetzt nicht wirklich, oder?

Ich glaube das nicht nur.

> Mal ein Beispiel: Frau X wird regelmäßig von ihrem
> Ehemann verprügelt, zieht aus und läßt eine EWO-
> Sperre eintragen, weil sie sich vor ihm fürchtet.
> Dieser Grund hätte mir als Gläubiger gegenüber die
> Folge, dass ich nicht vollstrecken kann, weil
> ich die Adresse nicht bekomme?

Die Abwägung obliegt dem Einwohnermeldeamt, wenn ich das MRRG richtig
lese.

> Von daher muss ich also (nur) einen Pfändungsauftrag
> an den Gerichtsvollzieher geben und der Staat hat
> die Pflicht, in einem recht- und gesetzmäßigen
> Verfahren zu vollstrecken.

Tut er auch. Allerdings macht der Gerichtsvollzieher das nur, wenn Du
ihm sagst, *wo* er vollstrecken soll. Das Suchen Deines Schuldners ist
nämlich nicht Bestandteil des Pfändungsauftrags.

-thh

Re: Auskunftssperre im Melderegister und berechtigte Belange

am 13.03.2004 15:54:59 von Michael Liedtke

Thomas Hochstein <> schrieb am Fri, 12 Mar 2004

>> Mal ein Beispiel: Frau X wird regelmäßig von ihrem
>> Ehemann verprügelt, zieht aus und läßt eine EWO-
>> Sperre eintragen, weil sie sich vor ihm fürchtet.
>> Dieser Grund hätte mir als Gläubiger gegenüber die
>> Folge, dass ich nicht vollstrecken kann, weil
>> ich die Adresse nicht bekomme?
>
>Die Abwägung obliegt dem Einwohnermeldeamt, wenn ich das MRRG richtig
>lese.

Wäre es demnach möglich, das Einwohnermeldeamt zu
beauftragen, die gewünschte Auskunft direkt an den
Gerichtsvollzieher zu geben (also mir gegenüber den
Schutz der Frau X aufrechtzuerhalten) und dem
Grichtsvollzieher den Auftrag unter Hinweis auf die
direkt zugehende Auskunft des Einwohnermeldeamtes
zu erteilen?

>> Von daher muss ich also (nur) einen Pfändungsauftrag
>> an den Gerichtsvollzieher geben und der Staat hat
>> die Pflicht, in einem recht- und gesetzmäßigen
>> Verfahren zu vollstrecken.
>
>Tut er auch. Allerdings macht der Gerichtsvollzieher das nur, wenn Du
>ihm sagst, *wo* er vollstrecken soll. Das Suchen Deines Schuldners ist
>nämlich nicht Bestandteil des Pfändungsauftrags.

Du willst mir aber doch nicht wirklich sagen, dass
ein Schuldner sich durch Meldesperre _wirksam_ vor
seinen Gläubigern entziehen kann?