Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

am 26.10.2005 14:33:58 von skalar1

Guten Tag Gemeinde,

vorweg möchte ich klarstellen, dass es zu dieser Situation nur durch
mein eigenes Verschulden gekommen ist, aber vielleicht gibt es doch
noch eine Möglichkeit ...

folgender Sachverhalt:

- ESt-Erklärung 2003 (Ehegatten gemeinsam veranlagt) wurde von mir
nicht abgegeben (bzw. zu spät)
- Finanzamt erlässt eine Steuerschätzung für 2003 in 06/05
- Schätzung basiert auf Daten aus 2002, in diesem Jahr habe ich ALG
bezogen, somit versteuert das FA unser Einkommen unter
Progressionsvorbehalt. Allerdings habe ich im Jahr 2003 0 EUR
Einkommen, auch keine Lohnersatzleistungen.
- Steuerfestsetzung erfolgt "teilweise vorläufig" gem. =A7165 Abs.1
Satz 2
- leider habe ich nur das zu versteuernde Einkommen kontrolliert und
die Steuersumme (unter Progressionsvorbehalt) mißachtet. Da das zu
versteuernde Einkommen dem zu erwartenden entsprach, habe ich keinen
Einspruch eingelegt und die zu wenig entrichtete Steuer überwiesen.
- 09/05 habe ich die Steuer dann erklärt und per 24.10.2005 den
geänderten Bescheid erhalten. Erst jetzt viel mir der um ca. 1.400,-
EUR erhöhte Steuerbetrag auf und wurde auf Nachfrage über die
Bedeutung des Progressionsvorbehaltes vom FA aufgeklärt. Das Finanzamt
ist auf tel. Anfrage nicht bereit den Bescheid zu ändern. "Pech
gehabt" (Originalton)

Hat hier vielleicht jemand noch einen Gedanken? Als "Steuerlaie" sind
mir doch solche Begriffe wie Progressionsvorbehalt unbekannt. Außerdem
stand doch auf der Steuerfestsetzung "vorläufig gem. =A7165..". Muß
ich wirklich wissen, dass das nur auf BFH anhängige Verfahren hinweist
oder hätte mich das FA dahingehend mehr informieren müssen.

Greift vielleicht auch der =A7 173 (1) Abs. 2

Viele Grüße und Danke für Eure Meinungen
Bernd Fischer

Re: Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

am 26.10.2005 20:05:09 von Daniel Zauft

skalar1 wrote:
> Guten Tag Gemeinde,
>
> [..]
> - 09/05 habe ich die Steuer dann erklärt und per 24.10.2005 den
> geänderten Bescheid erhalten. Erst jetzt viel mir der um ca. 1.400,-
> EUR erhöhte Steuerbetrag auf und wurde auf Nachfrage über die
> Bedeutung des Progressionsvorbehaltes vom FA aufgeklärt. Das Finanzamt
> ist auf tel. Anfrage nicht bereit den Bescheid zu ändern. "Pech
> gehabt" (Originalton)
>
[..]
>
> Greift vielleicht auch der § 173 (1) Abs. 2
>
Hi,

Ist ziemlich egal, ob der greift ;-)

Da du den neuen Bescheid am 24.10.2005 erhalten hast, kannst du ihn bis
zum 27.11.2005 über § 172 (1) Nr. 2a AO ("schlichte Änderung") oder über
einen Einspruch ändern lassen.
Eigentlich hätte ihn der Finanzbeamte aufgrund des Telefongesprächs
ändern müssen (die schlichte Änderung muss nicht schriftlich beantragt
werden. Aber da du innerhalb der Rechtsbehelfsfrist liegst, schreibt du
dem FA einfach, dass du in 2003 keine Einkünfte bezogen hast, die dem
Progressionsunterhalt unterlagen.

Grüße

Daniel

Re: Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

am 26.10.2005 20:41:55 von axbnospamatall

Am Wed, 26 Oct 2005 20:05:09 +0200, schrieb Daniel Zauft
<> :

>Ist ziemlich egal, ob der greift ;-)
>
>Da du den neuen Bescheid am 24.10.2005 erhalten hast, kannst du ihn bis
>zum 27.11.2005 über § 172 (1) Nr. 2a AO ("schlichte Änderung") oder über
>einen Einspruch ändern lassen.

Aber nur soweit die Änderung reicht, da er einen bestandskräftigen
Bescheid ändert. (§ 351 Abs. 1 AO)

>Eigentlich hätte ihn der Finanzbeamte aufgrund des Telefongesprächs
>ändern müssen (die schlichte Änderung muss nicht schriftlich beantragt
>werden.

Aber nur bei Korrekturnorm oder eben § 177 AO.

>Aber da du innerhalb der Rechtsbehelfsfrist liegst, schreibt du
>dem FA einfach, dass du in 2003 keine Einkünfte bezogen hast, die dem
>Progressionsunterhalt unterlagen.

So ist aber eine keine Änderung möglich.


Grüße

Axel

Re: Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

am 27.10.2005 07:27:58 von skalar1

Vielen Dank für eure Ausführungen.

Ich werde, wie Axel empfohlen, hat einen Einspruch einlegen und auf =A7
177 AO hinweisen.
Mal sehen wie das FA dann reagiert.

Gruß
Bernd

Re: Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

am 27.10.2005 13:27:51 von skalar1

Ich habe jetzt noch einmal etwas recherchiert und ein BFH Urteil
gefunden. Dabei geht es zwar um USt. - VSt, aber der Sachverhalt ist
identisch.

Hier der Link:

=3Dbfh&Art=3Den&sid=3D868318c6e1fcd9dd53a7769d9b0af7 14&nr=3D6951&pos=3D0&an=
z=3D1

Sollte man den Finanzbeamten darauf hinweisen oder fühlt er sich dann
womöglich bevormundet und blockiert gleich?

Gruß Bernd

Re: Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

am 27.10.2005 15:40:14 von Matthias Reichelt

Hi Bernd,

das Urteil greift nur, wenn die steuererhöhenden Tatsachen unmittelbar mit
steuermindernden Tatsachen zusammenhängen.§173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO!
Beispiel: A erklärt nicht Betriebseinnahmen (+10).
FA stellt dies fest und muss aber auch Betriebsausgaben berücksichtigen
(-5), so dass der Bescheid um +5 GSE-Einkünfte erhöht werden muss
(Grundsatz: Keine BE ohne BA).
Problem: Umsatzsteuer ist nicht Vorsteuer, beide eigenständige Regelungen,
werden aber in einer Abrechnung dann zur Umsatzsteuerzahlung/erklärung.
Daher stellt der BFH fest, wenn Umsatzsteuer nachträglich bekannt wird
(Betriebseinnahme), dann darf auch die Vorsteuer berücksichtigt werden
(Betriebsausgabe).

Dein Fall:
Nacherklärung Lohneinkünfte, dafür keine Lohnersatzleistung mehr.
Beide Termini stehen in keinem Zusammenhang.
Möglich wären Arbeitslohn und Werbungskosten, nicht ALG.
Daher richtigerweise Berücksichtigung des Arbeitslohnens (zusätzlich zum
ALG). Keine Änderung möglich.

Ausweg ist aber, wie bereits besprochen, §177AO.

Viel Glück. Matti

"Bernd Fischer" <> schrieb im Newsbeitrag
news:
Ich habe jetzt noch einmal etwas recherchiert und ein BFH Urteil
gefunden. Dabei geht es zwar um USt. - VSt, aber der Sachverhalt ist
identisch.

Hier der Link:


Sollte man den Finanzbeamten darauf hinweisen oder fühlt er sich dann
womöglich bevormundet und blockiert gleich?

Gruß Bernd

Re: Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

am 28.10.2005 08:08:44 von Bernd Fischer

Hallo Matti, du schreibst:

> Dein Fall:
> Nacherklärung Lohneinkünfte, dafür keine Lohnersatzleistung mehr.
> Beide Termini stehen in keinem Zusammenhang.
> Möglich wären Arbeitslohn und Werbungskosten, nicht ALG.
> Daher richtigerweise Berücksichtigung des Arbeitslohnens (zusätzlich zum
> ALG). Keine Änderung möglich.

nun war der Fall aber folgendermaßen:

- bei Schätzung und Nacherklärung waren die Lohneinkünfte fast identisch
(+ 200,- EUR)
- Allerdings die durch "Steuerabzug vom Lohn" bereits entrichteten ESt.
waren in der Schätzung um ca. 1.400,- EUR zu hoch angesetzt. Somit hat
sich an der Höhe der zu zahlenden Steuer wenig geändert, lediglich der
Geldfluss. Bei Ansicht der damals erhaltenen Schätzung habe ich darauf
nicht geachtet und das Wort Progressionsvorbehalt sagte mir zu dem
Zeitpunkt auch nichts. :-(

Grüße
Bernd

Re: Steuerbescheid ändern gem §173(1) Abs.2 möglich?

am 01.11.2005 16:32:56 von Matthias Reichelt

Hi Bernd,

Du schriebst:
> nun war der Fall aber folgendermaßen:
> - bei Schätzung und Nacherklärung waren die Lohneinkünfte fast identisch
> (+ 200,- EUR)
> - Allerdings die durch "Steuerabzug vom Lohn" bereits entrichteten ESt.
> waren in der Schätzung um ca. 1.400,- EUR zu hoch angesetzt. Somit hat
> sich an der Höhe der zu zahlenden Steuer wenig geändert, lediglich der
> Geldfluss. Bei Ansicht der damals erhaltenen Schätzung habe ich darauf
> nicht geachtet und das Wort Progressionsvorbehalt sagte mir zu dem
> Zeitpunkt auch nichts. :-(

Damit haben wir aber einen ganz anderen Fall.
1. Der Steuerabzug vom Lohn ist abgabenrechtlich der Erhebung der Steuer
§§218 ff. AO zu zuordnen.
Die Änderung eines Steuerbescheides ist aber Sache des
Festsetzungsverfahrens.

2. Festsetzungsverfahren:

Hier könne nur Tatsachen berücksichtigt werden (Welche Steuer ist denn
insgesamt zu zahlen).
Beim Arbeitslohn klappte die Schätzung bis auf 200,00 EUR.
Ob noch der Progressionsvorbehalt sich zusätzlich auswirkt, vermute ich nach
Deinen Ausführungen.
Diese im Schätzbescheid festgestellte Tatsache (ALG) wird die
Finanzverwaltung übernehmen, weil der Bescheid bestandskräftig wurde (also
kein Einspruch eingelegt wurde).

M.E. liegt kein Fall §173 AO vor, da keine neuen Tatsachen vorliegen (aus
Sicht der Veranlagung).
Es wurde ALG (Progressionsvorbehalt) und Arbeitslohn nach §19 EStG erkannt.
Weil kein Einspruch, kann sich nicht darauf berufen werden, das ALG falsch
ist.
Sonderfall §173 Abs 1 S. 2 AO kann nicht greifen, da ALG keine Einkünfte
nach §19 EStG bedingt. Auch bedingen Lohneinkünfte kein Leistungen mit
Progressionsvorbehalt. Der Sonderfall kann also nur in der Kombination
Einnahme-Ausgabe (grob gesprochen) erfolgen.
Wie das bei Arbeitslohn und ALG gestaltet werden kann, ist mir schleierhaft.
Es wird nur die Einnahmenseite angesprochen !!

Änderung nach § 177 ebenfalls nicht möglich, da keine Änderung nach anderen
Vorschriften vorliegt (z.B. §173AO).

3. Erhebungsverfahren
Nachdem im Festsetzungsverfahren die ultimative Steuer festgestellt wurde,
schaut das FA, was denn vorausgezahlt wurde.
Auch das kann das FA schätzen. Bei Lohneinkünfte muß daher auch die
einbehaltene Lohnsteuer geschätzt werden.
Die war in Deinem Fall wohl um 1,4TEUR zu niedrig. Nachdem das Finanzamt die
Lohnsteuerkarte/bescheinigung erhalten hat,
konnte der tatsächliche Steuereinbehalt angesetzt werden. Die Nachzahlung
ist daher korrekt und hat nichts mit der festgesetzten Steuer zu tun.
Rechne alle Steuerzahlungen zusammen und Du erkennst, dass die Summe der
Beträge Deine festgesetzte Steuer ergibt.
Also quasi eine Auskehrung der Steuer in Geld.
Dieser Abrechnungsteil ist kein Steuerbescheid, sondern hat Info-Charakter.
Bist Du mit den Vorauszahlungen nicht einverstanden (worüber Du aber nichts
an Informationen mitgeteilt hast), muss Du einen sogenannten
Abrechnungsbescheid § 218 AO beantragen. Gegen diesen Bescheid ist dann
Einspruch zulässig.
BSP: Auf der Lohnsteuerkarte Deiner Gattin sind 1000EUR bescheinigt, das FA
erkennt nur 500EUR an mit Begründung, dass AG der Gattin nur 500EUR an FA
gezahlt hat. Die Höhe der Lohneinkünfte wird nicht geändert, die
festgesetzte Steuer bleibt die gleich, nur die Vorauszahlungen ändern sich.

Gruß Matti