PKV Altersrückstellungen
am 06.12.2005 21:09:17 von Thomas Kling
Wie ist das eigentlich mit der PKV mit den
Beitragserhöhungen.
Wenn der Beitrag erhöht wird wird doch
allen Versicherten um den gleichen Prozentsatz
erhöht im gleichen Tarif oder sehe ich das falsch.
Insofern wäre das mit dem Verlieren der
Altersrückstellung beim Wechsel doch nur ein
Spruch, wichtig ist nur der Beitrag dem ich
Einsteige für die Erhöhungen ist nur die
Gesammtsituation aller im Beitrag maßgeblich?
Re: PKV Altersrückstellungen
am 07.12.2005 07:44:01 von Gisbert Sachs
Thomas Kling schrieb:
> Insofern wäre das mit dem Verlieren der
> Altersrückstellung beim Wechsel doch nur ein
> Spruch, wichtig ist nur der Beitrag dem ich
> Einsteige für die Erhöhungen ist nur die
> Gesammtsituation aller im Beitrag maßgeblich?
Ich bin mir nicht sicher, ob du eine Frage gestellt hast. Aber um einem=20
Informationsdefizit zuvorzukommen:
Mit den Alterungsrückstellungen treffen private Krankenversicherer=20
Vorsorge für den Umstand, dass ältere Menschen mehr=20
Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen.
Mit dem Alter des Menschen steigt die Inanspruchnahme von=20
Gesundheitsleistungen. Die Folgen für die Krankenversicherung hängen =
vom=20
Finanzierungsverfahren ab, wobei das Umlageverfahren der GKV und das=20
Anwartschaftsdeckungsverfahren der PKV zu unterscheiden ist. Der=20
Versicherer bildet dafür Alterungsrückstellungen, die für ihn=20
Fremdkapital darstellen auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen=20
werden müssen.
In dem Anwartschaftsdeckungsverfahren der Vollversicherung wird=20
systematische Vorsorge für das Alter gebildet. Die Prämie wird zu die=
sem=20
Zweck so kalkuliert, dass sie in jungen Jahren oberhalb und im Alter=20
unterhalb der tatsächlich erforderlichen Prämie liegt. Die Differenz =
zwischen tatsächlich erhobener Prämie und den rechnerischen Kosten fü=
r=20
Gesundheitsleistungen wird der Alterungsrückstellung zugeführt. Wenn =
dann im höheren Alter des VN die rechnerischen Kosten über der erhobe=
nen=20
Prämie liegen, kann die Differenz durch Entnahme aus den=20
Alterungsrückstellungen finanziert werden. Das Umlageverfahren der GKV =
setzt dagegen auf die ausreichende Zahl der Beitragszahler, die=20
gemeinsam den Fianzierungsbedarf des gesamten Versicherungsbestandes=20
aufbringen müssen.
Regelmässig wird der Anspruch erhoben, dem Versicherungsnehmer bei=20
Kündigung seines Vertrages =84seine=93 Rückstellungen mitzugeben. Die=
ses=20
scheitert alleine daran, dass die Kalkulation der PKV und der=20
Alterungsrückstellungen an sich kollektiv sind =96 es gibt somit über=
haupt=20
keine Alterungsrückstellung des einzelnen Versicherten.
Bei der Diskussion um die Portabilität der Rückstellung ist folgender=
=20
Gesichtspunkt wichtig und nicht außer Acht zu lassen: Wäre die=20
Alterungsrückstellung anteilig für jeden Versicherungsvertrag kalkuli=
ert=20
(was sie heute nicht ist), so könnte der normal gesunde Versicherte auc=
h=20
in höherem Alter den Versicherer wechseln. Trotz seines höheren Alter=
s=20
müsste ihm nicht die Tarifprämie abverlangt werden, sondern eine durc=
h=20
die Anrechnung seiner mitgebrachten Alterungsrückstellungen eine=20
entsprechend reduzierte Prämie. Ein in der Zwischenzeit erkrankter=20
Versicherte könnte nicht ohne weiteres wechseln =96 der neue Versichere=
r=20
würde stets einen Risikozuschlag verlangen oder ihn gar nicht erst=20
aufnehmen. Die logische Folge wäre ein Nichtwechseln chronisch kranker =
PKV-Versicherter mit dem Ergebnis, dass sich bei einem subventionieren=20
Preiswettbewerb Versicherungsunternehmen ausschließlich gesunde=20
Versicherte in den Bestand locken. Ein Ruin der Gesellschaften mit den=20
übrigen schlechten Risiken im Bestand wäre unausweichlich. In der=20
Versicherungsbetriebswirtschaftslehre nennt man diesen Effekt Antiselekti=
on.
Gruss, GS
--=20
Re: PKV Altersrückstellungen
am 07.12.2005 10:28:56 von Florian Schmeichler
"Thomas Kling" <> wrote in news:4395efc5$0$27888$9b4e6d93
@newsread4.arcor-online.net:
> Wie ist das eigentlich mit der PKV mit den
> Beitragserhöhungen.
> Wenn der Beitrag erhöht wird wird doch
> allen Versicherten um den gleichen Prozentsatz
> erhöht im gleichen Tarif oder sehe ich das falsch.
>
> Insofern wäre das mit dem Verlieren der
> Altersrückstellung beim Wechsel doch nur ein
> Spruch, wichtig ist nur der Beitrag dem ich
> Einsteige für die Erhöhungen ist nur die
> Gesammtsituation aller im Beitrag maßgeblich?
Nachdem mir Gisberts Zitat mal wieder gezeigt hat, dass ein Brockhaus doch
qualitativ um Klassen besser ist, als die Wiki, hier die konkrete Antwort
auf Deine (vermeintliche Frage):
Was Du nicht berücksichtigst:
Wenn man als 50jähriger neu bei einer PKV abschliesst, dann zahlt man einen
höheren Beitrag, als der selbe 50jährige zahlen würde, wenn er schon seit
seinem 30ten Lebensjahr dort versichert wäre.
Es ist zwar richtig, dass diese beiden 50jährigen (so sie in einem
Kollektiv geführt würden) bei der nächsten Beitragsanpassung den gleichen
prozentualen Aufschlag bekämen, aber eben von einer höheren Basis.
Wenn von "Mitnahme der Altersrückstellungen" die Rede ist, dann ist stets
ein dahingehender finanzieller Ausgleich zwischen den Versicherern gemeint,
dass ein VN der mit 30 bei Gesellschaft A abgeschlossen hat und mit 50 zu
Gesellschaft B wechselt genauso gestellt wird, als hätte er mit 30 direkt
bei Gesellschaft B angefangen.
Gruss,
Florian
Re: PKV Altersrückstellungen
am 07.12.2005 15:03:59 von unknown
Post removed (X-No-Archive: yes)
Re: PKV Altersrückstellungen
am 07.12.2005 23:55:45 von Juergen Grosse
Gisbert Sachs schrieb:
....
> Und es wird regelmäßig das Problem vernachlässigt, das die
> Rückstellungen nicht individuell, sondern kollektiv sind. Man kann *dem*
> VN "seine" Rückstellungen nicht mitgeben, weil er keine hat. Das kann
> man gut oder schlecht finden, aber es ist so.
....
Ich sehe da kein grundsätzlich unlösbares Problem. Gewiss, es gibt kein
individuelles Konto für jeden einzelnen Versicherten, auf dem dessen
Rückstellungen angelegt wären. Aber das ist doch nur ein rechnerisches
Problem, grundsätzlich könnte schon vorhersagbar sein, auf welchen
Versicherten jeweils ungefähr welcher Anteil an den gesamten
Rückstellungen entfallen müsste.
Natürlich hast du immer das Problem, dass die Informationen über den
individuellen Gesundheitszustand nicht symmetrisch verteilt sind, aber
über einen gewissen Überblick dürfte der Versicherer nach langjähriger
Vertragslaufzeit schon verfügen. Bei guten wie bei schlechten Risiken
hat der ursprüngliche Versicherer weder ein Interesse an überhöhten noch
an zu niedrigen Rückstellungen, im ersten Falle bliebe ihm zu wenig für
die verbleibenden Versicherten, im zweiten Falle drohte die Abwanderung
der anderen Versicherten, denen dann ja zwangsläufig ein zu hoher Anteil
zugewiesen worden wäre.
Es erschiene vielleicht dem einen oder anderen paradox, wenn schlechten
Risiken hohe Beträge mitgegeben würden, während kerngesunde Versicherte
fast nichts erhielten, gleichwohl wäre eine derartige Individualisierung
der Altersrückstellungen eine Möglichkeit, den Wettbewerb zwischen den
Versicherern zu fördern.
Tschüs, Jürgen
Re: PKV Altersrückstellungen
am 12.12.2005 12:07:37 von Florian Schmeichler
Gisbert Sachs <> wrote in
news:4396ebbc$0$9635$:
> Ahhh, das schmerzt - habe ich den Artikel über die Rückstellung doch
> selbst ins Wiki gestellt... Aber ich habe ehrlich gesagt nur einen
> zweibändigen Brockhaus und den würde ich sofort für Wiki hergeben.
Sorry, ich wollte Dich nicht beleidigen. Aber ich werde den Wiki-Artikel
mal editieren, um ihn *noch besser* zu machen.
> Und es wird regelmäßig das Problem vernachlässigt, das die
> Rückstellungen nicht individuell, sondern kollektiv sind. Man kann
> *dem* VN "seine" Rückstellungen nicht mitgeben, weil er keine hat. Das
> kann man gut oder schlecht finden, aber es ist so.
Naja, dieses "Problem" wird von der Versicherungswirtschaft gerne
vorgeschoben, obwohl es in anderen Bereichen längst gelöst ist:
Auch in der Lebensversicherung erwirtschaftet der einzelen Versicherte
individuell keine Überschüsse, bis sie ihm (aus Sich der PKVen durch
magische Hand) bei Ablaufen des Vetrages doch irgendwie individuell
ausgezahlt werden können.
Ein kleiner unbedeutender Vorschlag von mir: Ist R der gesamte RfB-Topf des
Unternehmens und BS die Summe aller von heute bestehenden Versicherten und
BI die vom betrachteten Versicherten bisher bezahlten Gesamtbeiträge, so
ist
MR=BI*(R/BS)
schon mal keine schlechte Näherung für die mitzugebenden
Altersrückstellungen. Klar kann man hierbei insb. bei gezillmerten Tarifen
die geringeren Rückstellungen in den ersten Jahren berücksichtigen, den
gezahlten und Verzinsten R10 explizit rausrechnen, etc., aber man kommt
sehr schnell auf relativ vernünftige Formeln, die es eben doch möglich
erscheinen lassen, solch ein System aufzusetzen.
Ob die geänderte Marktdynamik im PKV-Markt (insb. in der Umstellungsphase)
sinnvoll ist, steht dabei auf einem anderen Blatt. Aber die Ausrede "AR
sind nicht individualisierbar" trägt zu einer sachlichen Diskussion imho
wirklich nicht bei.
Gruss,
Florian
Re: PKV Altersrückstellungen
am 12.12.2005 13:37:26 von Juergen Grosse
Florian Schmeichler schrieb:
....
> Ein kleiner unbedeutender Vorschlag von mir: Ist R der gesamte RfB-Topf des
> Unternehmens und BS die Summe aller von heute bestehenden Versicherten und
> BI die vom betrachteten Versicherten bisher bezahlten Gesamtbeiträge, so
> ist
>
> MR=BI*(R/BS)
>
> schon mal keine schlechte Näherung für die mitzugebenden
> Altersrückstellungen. Klar kann man hierbei insb. bei gezillmerten Tarifen
> die geringeren Rückstellungen in den ersten Jahren berücksichtigen, den
> gezahlten und Verzinsten R10 explizit rausrechnen, etc., aber man kommt
> sehr schnell auf relativ vernünftige Formeln, die es eben doch möglich
> erscheinen lassen, solch ein System aufzusetzen.
Das kann so nicht funktionieren. Die Rückstellungen für gesunde
Versicherte wären zu hoch, die für kranke zu niedrig.
Stelle dir einen überdurchschnittlich gesunden Versicherungsnehmer vor,
der nach 20 Jahren die Versicherung wechseln will. Erhielte er einen (so
dein Vorschlag) seinem bisherigen Beitragsaufkommen entsprechenden
Betrag aus den gesamten Rückstellungen, so würde ihn eine neue
Versicherung natürlich sehr gerne nehmen und könnte ihm - nach
Anrechnung der übertragenen Rückstellung - eine ausgesprochen günstige
Prämie anbieten, die sogar unter derjenigen Prämie liegen würde, die er
bei einem Beitrittsalter zahlte, das seinem aktuellen Alter minus 20
Jahre entspräche, schließlich ist tendenziell zu erwarten, dass er auch
fürderhin überdurchschnittlich gesund bleibt und damit wenig Leistungen
verursacht.
Ein überdurchschnittlich kranker VN hingegen hätte diese Möglichkeit
nicht, wenn er (bei angenommener gleicher Prämienzahlung, denn beim
Vertragsabschluss war er gleich alt und waren seine Beschwerden noch
nicht abzusehen gewesen) die gleichen Rückstellungen erhielte. Auch bei
Mitgabe dieser an die neue Versicherung nähme man ihn dort nur mit einem
satten Prämienaufschlag an, folglich ist ein Wechsel für ihn
unattraktiv. Er bliebe also in seiner alten Versicherung, denn die kann
ihm ja nicht kündigen, und sie kann auch seine individuellen Beiträge
nicht einfach wegen seines Krankheitsverlaufes erhöhen.
Die Folge: Gute Risiken würden wechseln, schlechte Risiken verblieben
der Versicherung, für die aber reichen die anteiligen
Altersrückstellungen nicht aus, die Prämien müssten insgesamt erhöht
werden.
Das Ganze rechnet sich nur, wenn auch der Krankheitsverlauf
berücksichtigt wird, und wenn ggf. sogar vor der Berechnung der
Rückstellungen auch die "abgebende" Versicherung eine Gesundheitsprüfung
durchführt. Dann erhielte der Multimorbide, dessen Ausscheiden ein
Versicherer nicht ungern sähe, einen höheren Anteil, der Gesunde
hingegen einen niedrigeren. Dass die Versicherungen hierbei richtig
rechnen, garantiert schon der Markt, denn sowohl überhöhte als auch zu
niedrige Beträge würden sie schädigen.
> Ob die geänderte Marktdynamik im PKV-Markt (insb. in der Umstellungsphase)
> sinnvoll ist, steht dabei auf einem anderen Blatt. Aber die Ausrede "AR
> sind nicht individualisierbar" trägt zu einer sachlichen Diskussion imho
> wirklich nicht bei.
....
Sehe ich auch so, allerdings nur, wenn eben auch die Morbidität
berücksichtigt wird.
Tschüs, Jürgen
Re: PKV Altersrückstellungen
am 12.12.2005 18:43:06 von Florian Schmeichler
Juergen Grosse <> wrote in
news::
> Florian Schmeichler schrieb:
>
> ...
>> Ein kleiner unbedeutender Vorschlag von mir: Ist R der gesamte
>> RfB-Topf des Unternehmens und BS die Summe aller von heute
>> bestehenden Versicherten und BI die vom betrachteten Versicherten
>> bisher bezahlten Gesamtbeiträge, so ist
>>
>> MR=BI*(R/BS)
>
> Das kann so nicht funktionieren. Die Rückstellungen für gesunde
> Versicherte wären zu hoch, die für kranke zu niedrig.
Kann man auch genau andersrum verargumentieren: Der Gesunde hätte (durch
weniger Leistungsausgaben) Anteilig mehr zum entstehen des RfB-Topfes
beigetragen, als der Kranke, daher müsste er eigentlich einen höheren
Anteil an den Altersrückstellungen mitbekommen...
> Die Folge: Gute Risiken würden wechseln, schlechte Risiken verblieben
> der Versicherung, für die aber reichen die anteiligen
> Altersrückstellungen nicht aus, die Prämien müssten insgesamt erhöht
> werden.
Richtig erkannt. Genau dies meinte ich mit der Frage nach der erwünschten
Marktdynamik. (Sicher ist die durch den Morbi-RSA bei den gesetzlichen
entstehende Marktdynamik, dass ein großer Wettbewerb um möglichst Kranke
entsteht, eher als entartet zu beurteilen ist)
Prinzipiell halte ich den Wettbewerb um gute Risiken in einem
Versicherungsmarkt nicht für verkehrt.
Dabei ist mir bewusst, dass die von Dir zutreffend beschriebene
Marktdynamik dazu führen wird, dass sich chronische Erkrankte auf Duaer
nicht mehr zu bezahlbaren Preisen privat Krankenversichern können.
Ob dies allerdings schlimmer oder weniger schlimm ist als die Tatsache,
dass sich Hauseigentümer in bestimmten Gebieten (die chronisch von
Hochwasser betroffen sind) auch nicht zu bezahlbaren Preisen gegen
Hochwasser versichern können, wäre eine lange Diskussion.
Meine Meinung hierzu ist nur: Anstatt sich hinter einem banalen "geht
nicht" zu verstecken sollte der PKV-Verband genau diese Diskussion führen.
> Das Ganze rechnet sich nur, wenn auch der Krankheitsverlauf
> berücksichtigt wird, und wenn ggf. sogar vor der Berechnung der
> Rückstellungen auch die "abgebende" Versicherung eine
> Gesundheitsprüfung durchführt. Dann erhielte der Multimorbide, dessen
> Ausscheiden ein Versicherer nicht ungern sähe, einen höheren Anteil,
> der Gesunde hingegen einen niedrigeren. Dass die Versicherungen
> hierbei richtig rechnen, garantiert schon der Markt, denn sowohl
> überhöhte als auch zu niedrige Beträge würden sie schädigen.
Komisch, plötzlich soll es möglich sein, diesen "Indifferenzpunkt" zu
bestimmen ;-))
Gruss,
Florian