Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 16:01:21 von Karl Dudenhoff

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Verfassungsgeber und
einem einfachen Gesetzgeber?

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 16:15:26 von Thomas Kaufmann

"Karl Dudenhoff" <> schrieb:

> Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Verfassungsgeber und
> einem einfachen Gesetzgeber?

Gemeinsam ist ihnen ihre legislative Befugnis zur Normsetzung. Beim
Verfassungsgeber handelt es sich um eine Personengruppe (z.B. eine
Nationalversammlung), die sich als Repräsentant des Volkes versteht und eine
Verfassung ausarbeitet und in Kraft setzt. Der einfache Gesetzgeber ist
durch diese Verfassung legitimiert und beschließt Normen, die im Rang
unterhalb der Verfassung anzusiedeln sind.

Verfassungsgeber und einfacher Gesetzgeber können als Personengruppe bzw.
als Verfassungsorgan verschieden, aber auch identisch sein. So kann der
Bundestag in seiner Funktion als Verfassungsgeber (z.B. bei Art. 20 a GG),
als verfassungsändernder Gesetzgeber (z.B. bei Art. 16 GG) und als einfacher
Gesetzgeber handeln.

Gruß, Thomas

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 17:04:07 von Karl Dudenhoff

Besten Dank für die ausführliche Erklärung!

Gruß
Karl

Thomas Kaufmann wrote:
> "Karl Dudenhoff" <> schrieb:
>
> > Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Verfassungsgeber und
> > einem einfachen Gesetzgeber?
>
> Gemeinsam ist ihnen ihre legislative Befugnis zur Normsetzung. Beim
> Verfassungsgeber handelt es sich um eine Personengruppe (z.B. eine
> Nationalversammlung), die sich als Repräsentant des Volkes versteht und=
eine
> Verfassung ausarbeitet und in Kraft setzt. Der einfache Gesetzgeber ist
> durch diese Verfassung legitimiert und beschließt Normen, die im Rang
> unterhalb der Verfassung anzusiedeln sind.
>
> Verfassungsgeber und einfacher Gesetzgeber können als Personengruppe bz=
w
> als Verfassungsorgan verschieden, aber auch identisch sein. So kann der
> Bundestag in seiner Funktion als Verfassungsgeber (z.B. bei Art. 20 a GG),
> als verfassungsändernder Gesetzgeber (z.B. bei Art. 16 GG) und als einf=
acher
> Gesetzgeber handeln.
>=20
> Gruß, Thomas

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 17:04:16 von Mark Obrembalski

Thomas Kaufmann <> schrieb:
> Verfassungsgeber und einfacher Gesetzgeber können als Personengruppe bzw.
> als Verfassungsorgan verschieden, aber auch identisch sein. So kann der
> Bundestag in seiner Funktion als Verfassungsgeber (z.B. bei Art. 20 a GG),
> als verfassungsändernder Gesetzgeber (z.B. bei Art. 16 GG) und als einfacher
> Gesetzgeber handeln.

Der Bundestag ist (im Zusammenwirken mit mindestens dem Bundesrat) immer
allenfalls verfassungsändernder Gesetzgeber, der bei seiner Tätigkeit
gewisse, ihm vom Verfassungsgeber auferlegte Grenzen einzuhalten hat. Ob er
seine Änderungen durch Neuformulieren existierender oder Einfügen neuer
Artikel ins Grundgesetz vornimmt, spielt dafür keine Rolle.

Gruß,
Mark

--
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 17:23:28 von Thomas Kaufmann

"Mark Obrembalski" <> schrieb:

> Der Bundestag ist (im Zusammenwirken mit mindestens dem Bundesrat) immer
> allenfalls verfassungsändernder Gesetzgeber, der bei seiner Tätigkeit
> gewisse, ihm vom Verfassungsgeber auferlegte Grenzen einzuhalten hat. Ob
> er seine Änderungen durch Neuformulieren existierender oder Einfügen neuer
> Artikel ins Grundgesetz vornimmt, spielt dafür keine Rolle.

Das hängt davon ab, welchen Verfassungsbegriff man zugrunde legt. Da ich
aber ebenfalls die Verfassung als einheitliche Wertordnung und nicht nur als
Sammelstelle einzelner Verfassungsnormen betrachte, stimme ich Dir voll und
ganz zu und danke Dir für die Korrektur.

Gruß, Thomas

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 18:40:21 von Mark Obrembalski

Thomas Kaufmann <> schrieb:
> "Mark Obrembalski" <> schrieb:
>
>> Der Bundestag ist (im Zusammenwirken mit mindestens dem Bundesrat) immer
>> allenfalls verfassungsändernder Gesetzgeber, der bei seiner Tätigkeit
>> gewisse, ihm vom Verfassungsgeber auferlegte Grenzen einzuhalten hat. Ob
>> er seine Änderungen durch Neuformulieren existierender oder Einfügen neuer
>> Artikel ins Grundgesetz vornimmt, spielt dafür keine Rolle.
>
> Das hängt davon ab, welchen Verfassungsbegriff man zugrunde legt.

Mit was für einem Verfassungsbegriff wird denn vertreten, es gebe einen
rechtlich relevanten Unterschied zwischen dem Ändern bestehender und dem
Einfügen neuer GG-Artikel?

Da ich
> aber ebenfalls die Verfassung als einheitliche Wertordnung und nicht nur als
> Sammelstelle einzelner Verfassungsnormen betrachte, stimme ich Dir voll und
> ganz zu und danke Dir für die Korrektur.

Das mit der "Sammelstelle von Verfassungsnormen" ist so unzutreffend
auch wieder nicht - das Grundgesetz sieht ja sogar ausdrücklich vor,
dass Änderungen der Verfassung an eben dieser Sammelstelle unterzubringen
sind (Art 79 I 1), was bei anderen Verfassungen anders ist.

Gruß,
Mark

--
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 18:40:59 von Torben Anschau

Hallo,

Thomas Kaufmann schrieb:
> "Karl Dudenhoff" <> schrieb:
>=20
>> Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Verfassungsgeber und
>> einem einfachen Gesetzgeber?
>=20
> Gemeinsam ist ihnen ihre legislative Befugnis zur Normsetzung. Beim
> Verfassungsgeber handelt es sich um eine Personengruppe (z.B. eine
> Nationalversammlung), die sich als Repräsentant des Volkes versteht u=
nd eine
> Verfassung ausarbeitet und in Kraft setzt. Der einfache Gesetzgeber ist=

> durch diese Verfassung legitimiert und beschließt Normen, die im Rang=

> unterhalb der Verfassung anzusiedeln sind.
>=20
> Verfassungsgeber und einfacher Gesetzgeber können als Personengruppe =
bzw.
> als Verfassungsorgan verschieden, aber auch identisch sein. So kann der=

> Bundestag in seiner Funktion als Verfassungsgeber (z.B. bei Art. 20 a G=
G),
> als verfassungsändernder Gesetzgeber (z.B. bei Art. 16 GG) und als ei=
nfacher
> Gesetzgeber handeln.

In den meisten Staaten mit Verfassung ist diese erheblich schwieriger zu =

ändern als einfache Gesetze. Häufig sind dazu über die originäre =

Legislativkammer hinaus noch weitere verfassungsrechtliche Institutionen =

oder das Volk direkt beteiligt. Die erforderlichen Mehrheiten sind=20
häufig höher angesetzt.
In Deutschland sind zu Änderungen am Grundgesetz nach Art. 79 II=20
zwingend die Zustimmung von jeweils 2/3 der Stimmen von Bundestag und=20
Bundesrat erforderlich. Daher wäre der heutige Verfassungsgeber als die=
=20
Gesamtheit von Bundestags- und Bundesratsmitgliedern. Historisch war es=20
tatsächlich die Versammlung, die die Verfassung verabschiedet hat, also=
=20
der Parlamentarische Rat von Herrenchiemsee.

Torben

--=20
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 20:21:06 von Torben Anschau

Hallo,

Mark Obrembalski schrieb:
> Thomas Kaufmann <> schrieb:
>> "Mark Obrembalski" <> schrieb:
>>
>>> Der Bundestag ist (im Zusammenwirken mit mindestens dem Bundesrat) im=
mer
>>> allenfalls verfassungsändernder Gesetzgeber, der bei seiner Tätig=
keit
>>> gewisse, ihm vom Verfassungsgeber auferlegte Grenzen einzuhalten hat.=
Ob
>>> er seine Änderungen durch Neuformulieren existierender oder Einfü=
gen neuer
>>> Artikel ins Grundgesetz vornimmt, spielt dafür keine Rolle.
>> Das hängt davon ab, welchen Verfassungsbegriff man zugrunde legt.
>=20
> Mit was für einem Verfassungsbegriff wird denn vertreten, es gebe ein=
en
> rechtlich relevanten Unterschied zwischen dem Ändern bestehender und =
dem
> Einfügen neuer GG-Artikel?

Es gibt dies bezüglich keinen Unterschied und das Merkmal=20
Verfassungsbegriff verstehe ich hier nicht.
Die vom ursprünglichen Verfassungsgeber auferlegten Grenzen sind in=20
Artikel 79 III, der Unabänderlichkeitsklausel formuliert.

> Da ich
>> aber ebenfalls die Verfassung als einheitliche Wertordnung und nicht n=
ur als
>> Sammelstelle einzelner Verfassungsnormen betrachte, stimme ich Dir vol=
l und
>> ganz zu und danke Dir für die Korrektur.
>=20
> Das mit der "Sammelstelle von Verfassungsnormen" ist so unzutreffend
> auch wieder nicht - das Grundgesetz sieht ja sogar ausdrücklich vor,
> dass Änderungen der Verfassung an eben dieser Sammelstelle unterzubri=
ngen
> sind (Art 79 I 1), was bei anderen Verfassungen anders ist.

Ich glaube ich verstehe nicht, was Ihr hier genau meint.=20
Verfassungsänderung heißt nichts anderes, als Gesetze in einen so hoh=
en=20
Rang zu bringen, dass sie anschließend schwieriger als andere zu ände=
rn=20
sind. Die Notwendigkeit der 2/3-Mehrheit findet sich nur bei=20
verfassungsändernden Gesetzen.
Bei welchen Verfassungen haben auch Gesetze außerhalb der Verfassung=20
Verfassungsrang und -Anforderungen?

Torben

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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 20:32:49 von usenet-08-2005

Torben Anschau schrieb:
Daher wäre der heutige Verfassungsgeber als die
> Gesamtheit von Bundestags- und Bundesratsmitgliedern. Historisch war es
> tatsächlich die Versammlung, die die Verfassung verabschiedet hat, also
> der Parlamentarische Rat von Herrenchiemsee.

Und die deutschen Landtage.

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 20:46:23 von Holger Pollmann

Torben Anschau <> schrieb:

> Verfassungsänderung heißt nichts anderes, als Gesetze in einen so
> hohen Rang zu bringen, dass sie anschließend schwieriger als andere
> zu ändern sind.

Nein. Verfassungsänderung heißt, nicht ein einfaches Gesetz zu machen,
sondern die über den einfachen Gesetzen stehende Verfassung zu ändern.

> Bei welchen Verfassungen haben auch Gesetze außerhalb der
> Verfassung Verfassungsrang und -Anforderungen?

Nun, das ist nicht mehr aktuell, aber unter der Geltung der WRV war es
m.W. so, daß ein einfaches Gesetz implizit die Verfassung ändern konnte -
war es mit der für eine Verfassungsänderung notwendigen Mehrheit
beschlossen und inhaltlich nicht mit der Verfassung vereinbar, wurde das
Gesetz so aufgefaßt, daß es insoweit die Verfassung geändert hat.

--
( ROT-13 if you want to email me directly: )
"Sie tragen Trauer? Der Untergang der DDR?" - "Nein, Leni Riefenstahl. Der
Führer hat sie zu sich genommen." -- Abschiedsshow Scheibenwischer,
02.10.2003

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 20:54:20 von Thomas Kaufmann

"Mark Obrembalski" <> schrieb:

> Mit was für einem Verfassungsbegriff wird denn vertreten, es gebe einen
> rechtlich relevanten Unterschied zwischen dem Ändern bestehender und dem
> Einfügen neuer GG-Artikel?

Es ist eine Frage des verfassungstheoretischen Betrachtungswinkels, ob man
den Verfassungsgeber allein als isolierte, chronologisch am Anfang jeder
Staatlichkeit stehende verfassungsgebende Gewalt definiert oder ob dazu auch
der spätere verfassungsändernde Gesetzgeber gehört. Einen rechtlich
relevanten Unterschied könnte es insoweit machen, als der spätere
"Verfassungsgeber" nunmehr an positiv-rechtliche Verfassungsvorgaben
gebunden sein könnte. Letzteres wird im Bereich der Notstandsgesetzgebung
oder im Rahmen demokratischer Fundamentalrechte (etwa bei der Zulassung von
Plebisziten) immer wieder bezweifelt. So stellen machttheoretische Ansätze
die Grundentscheidung der Verfassung und den Gestaltungswillen des Souveräns
in den Vordergrund. Von einer dezisionistischen Grundposition heraus läßt
sich dann leicht ableiten, daß Verfassungsentscheidungen des Gesetzgebers
programmatischer Natur sind und daher selbst verfassungsgebenden Charakter
haben.

Gruß, Thomas

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 21:01:00 von Holger Pollmann

Torben Anschau <> schrieb:

> In Deutschland sind zu Änderungen am Grundgesetz nach Art. 79 II
> zwingend die Zustimmung von jeweils 2/3 der Stimmen von Bundestag
> und Bundesrat erforderlich. Daher wäre der heutige Verfassungsgeber
> als die Gesamtheit von Bundestags- und Bundesratsmitgliedern.

Der Bundesrat ist in Deutschland KEIN Gesetzgebungsorgan. Er hat an
der Gesetzgebung teil, aber mehr nicht. Wenn deutsche Gesetze (auch
zustimmungsbedürftige oder verfassungsändernde) verkündet werden,
wird verkündet, daß der Bundestag das Gesetz beschlossen hat.

Der Bundesrat ist somit also nicht verfassungsändernder Gesetzgeber,
sondern wirkt bei Verfassungsänderungen nur mit.

> Historisch war es tatsächlich die Versammlung, die die Verfassung
> verabschiedet hat, also der Parlamentarische Rat von
> Herrenchiemsee.

Nein, historisch war es der Parlamentarische Rat, der das ganze auf
den Weg gebracht hat - ganz ohne einen Bundesrat. Und auf
Herrenchiemsee hat VOR dem Zusammentreten des Parlamentarischen Rates
eine Konferenz getagt.

--
( ROT-13 if you want to email me directly: )
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 21:05:13 von usenet-08-2005

Torben Anschau schrieb:

> Bei welchen Verfassungen haben auch Gesetze außerhalb der Verfassung
> Verfassungsrang und -Anforderungen?

Naja, es gibt Rechtssysteme, wo man sich nicht so 100%ig im Klaren ist,
was eine Verfassung überhaupt ist.

Siehe zB

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 21:16:59 von Torben Anschau

Hallo,

Holger Pollmann schrieb:
> Torben Anschau <> schrieb:
>=20
>> Verfassungsänderung heißt nichts anderes, als Gesetze in einen so
>> hohen Rang zu bringen, dass sie anschließend schwieriger als andere
>> zu ändern sind.=20
>=20
> Nein. Verfassungsänderung heißt, nicht ein einfaches Gesetz zu mach=
en,=20
> sondern die über den einfachen Gesetzen stehende Verfassung zu ände=
rn.

Dass sie über einfachen Gesetzen steht, wollte ich mit dem Rang zum=20
Ausdruck bringen. Die Verfassung ist technisch eine Ansammlung von=20
(höherrangigen) Gesetzen, von denen einige Grundsätze legalerweise ga=
r=20
nicht und alle anderen mit einer höheren Mehrheit zweier Kammern=20
geändert, ergänzt oder verworfen werden können.

>> Bei welchen Verfassungen haben auch Gesetze außerhalb der
>> Verfassung Verfassungsrang und -Anforderungen?
>=20
> Nun, das ist nicht mehr aktuell, aber unter der Geltung der WRV war es =

> m.W. so, daß ein einfaches Gesetz implizit die Verfassung ändern ko=
nnte -=20
> war es mit der für eine Verfassungsänderung notwendigen Mehrheit=20
> beschlossen und inhaltlich nicht mit der Verfassung vereinbar, wurde da=
s=20
> Gesetz so aufgefaßt, daß es insoweit die Verfassung geändert hat.=


Ipsen bestätigt diese Darstellung, allerdings, um es verständlicher z=
u=20
machen: Dieses verfassungsändernde Gesetz war und blieb ein einfaches=20
Gesetz. Konkret sind hier die Ermächtigungsgesetze genannt, die die=20
Verfassung zu umgehen erlaubten.
Torben

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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 21:18:44 von Torben Anschau

Hi,

Jens Müller schrieb:
> Torben Anschau schrieb:
> Daher wäre der heutige Verfassungsgeber als die
>> Gesamtheit von Bundestags- und Bundesratsmitgliedern. Historisch war e=
s
>> tatsächlich die Versammlung, die die Verfassung verabschiedet hat, a=
lso
>> der Parlamentarische Rat von Herrenchiemsee.
>=20
> Und die deutschen Landtage.

Ja, und auch noch die Alliierten.

Torben


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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 21:52:55 von Holger Pollmann

Torben Anschau <> schrieb:

> Die Verfassung ist technisch eine Ansammlung von (höherrangigen)
> Gesetzen, von denen einige Grundsätze legalerweise gar nicht und
> alle anderen mit einer höheren Mehrheit zweier Kammern geändert,
> ergänzt oder verworfen werden können.

Nein. Die Verfassung ist das Normwerk, das die Grundlagen des Staates
festlegt, ihn also "verfaßt". Die Verfassung ist kein Gesetz, sondern
eine Verfassung, und schon gar nicht ist sie eine Ansammlung von
Gesetzes. Das BGB ist schließlich auch nur ein Gesetz, obwohl es zigmal
geändert wurde.

>> Nun, das ist nicht mehr aktuell, aber unter der Geltung der WRV
>> war es m.W. so, daß ein einfaches Gesetz implizit die Verfassung
>> ändern ko nnte - war es mit der für eine Verfassungsänderung
>> notwendigen Mehrheit beschlossen und inhaltlich nicht mit der
>> Verfassung vereinbar, wurde da s Gesetz so aufgefaßt, daß es
>> insoweit die Verfassung geändert hat.
>
> Ipsen bestätigt diese Darstellung,

Na, vielen Dank ;-)

> allerdings, um es verständlicher zu machen: Dieses
> verfassungsändernde Gesetz war und blieb ein einfaches Gesetz.

Wie man's nimmt. Man kann es auch so sehen, daß dadurch eben die
Verfassung geändert wurde, ohne daß´ihr Wortlaut als solcher modifiziert
wurde.

> Konkret sind hier die Ermächtigungsgesetze genannt, die die
> Verfassung zu umgehen erlaubten.

Wurden die nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen? Wenn sie das
wurden, dann haben sie die Verfassung geändert, so daß von "Umgehung"
keine Rede sein kann.

--
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02.10.2003

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 22:24:34 von Thomas Kaufmann

"Holger Pollmann" <> schrieb:

> Nein. Die Verfassung ist das Normwerk, das die Grundlagen des Staates
> festlegt, ihn also "verfaßt". Die Verfassung ist kein Gesetz, sondern
> eine Verfassung,

Der Gesetzesbegriff ist nicht auf unterverfassungsrechtliche Normen
beschränkbar. Verfassungsnormen haben Gesetzescharakter, auch wenn sie eine
besondere Zielstellung haben.

> und schon gar nicht ist sie eine Ansammlung von
> Gesetzes. Das BGB ist schließlich auch nur ein Gesetz, obwohl es zigmal
> geändert wurde.

Der Gesetzesbegriff umfaßt sowohl die einzelne Norm (§ 433 I 1 BGB) als auch
das gesamte Regelwerk (BGB).

> > Konkret sind hier die Ermächtigungsgesetze genannt, die die
> > Verfassung zu umgehen erlaubten.
>
> Wurden die nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen? Wenn sie das
> wurden, dann haben sie die Verfassung geändert, so daß von "Umgehung"
> keine Rede sein kann.

Bedeutung und Reichweite der Notstandsgesetzgebung war bereits in Weimar
hochumstritten. Mit dem Argument, Ermächtigungsgesetze seien von Verfassungs
wegen vorgesehen, haben schon die Nazis versucht, der "Notverordnung zum
Schutze von Volk und Staat" einen legalen Anstrich zu verpassen. Die
Aufhebung von Menschenrechten für zulässig zu halten, nur weil eine
Verfassung dafür positiv-rechtliche Verfahren bereithält, ist an Zynismus
nicht mehr zu überbieten. Ich hoffe inständig, daß Du an Deiner Äußerung
nicht festhalten wirst.

Gruß, Thomas

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 22:39:04 von Holger Pollmann

"Thomas Kaufmann" <> schrieb:

>> Nein. Die Verfassung ist das Normwerk, das die Grundlagen des
>> Staates festlegt, ihn also "verfaßt". Die Verfassung ist kein
>> Gesetz, sondern eine Verfassung,
>
> Der Gesetzesbegriff ist nicht auf unterverfassungsrechtliche Normen
> beschränkbar.

Es gibt einen Unterschied zwischen Verfassung und Gesetz.

> Verfassungsnormen haben Gesetzescharakter, auch wenn sie eine
> besondere Zielstellung haben.

Sie haben Normcharakter.

>> und schon gar nicht ist sie eine Ansammlung von Gesetzes. Das BGB
>> ist schließlich auch nur ein Gesetz, obwohl es zigmal geändert
>> wurde.
>
> Der Gesetzesbegriff umfaßt sowohl die einzelne Norm (§ 433 I 1 BGB)
> als auch das gesamte Regelwerk (BGB).

§ 433 I 1 BGB ist eine Norm mit Gesetzesrang, aber kein Gesetz.
Höchstens Gesetz im materiellen Sinn, aber das ist nicht der
Gesetzesbegriff, den ich hier gerade verwendet habe.

>>> Konkret sind hier die Ermächtigungsgesetze genannt, die die
>>> Verfassung zu umgehen erlaubten.
>>
>> Wurden die nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen? Wenn sie das
>> wurden, dann haben sie die Verfassung geändert, so daß von
>> "Umgehung" keine Rede sein kann.
>
> Bedeutung und Reichweite der Notstandsgesetzgebung war bereits in
> Weimar hochumstritten. Mit dem Argument, Ermächtigungsgesetze seien
> von Verfassungs wegen vorgesehen, haben schon die Nazis versucht,
> der "Notverordnung zum Schutze von Volk und Staat" einen legalen
> Anstrich zu verpassen. Die Aufhebung von Menschenrechten für
> zulässig zu halten, nur weil eine Verfassung dafür
> positiv-rechtliche Verfahren bereithält, ist an Zynismus nicht mehr
> zu überbieten. Ich hoffe inständig, daß Du an Deiner Äußerung nicht
> festhalten wirst.

Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu tun. Wenn
die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist ein
entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene Verfassung. Alles
andere wäre völlig unlogisch. Deine AUfgeregtheit kann ich nicht
nachvollziehen.

--
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02.10.2003

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 15.01.2006 23:20:14 von Thomas Kaufmann

"Holger Pollmann" <> schrieb:

> Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu tun. Wenn
> die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist ein
> entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene Verfassung. Alles
> andere wäre völlig unlogisch. Deine AUfgeregtheit kann ich nicht
> nachvollziehen.

Logik? Du sprichst mir von Logik? Deine Logik ist die eines Positivisten,
der Meinungsfreiheit nur anerkennt, wenn sie in einer Verfassungsurkunde
niedergelegt ist. Eine Verfassung ohne Verfassungstheorie ist nichts weiter
als eine Ansammlung von Phonogrammen, die der allgemeinen Beliebigkeit
anheimgestellt wird. Aber das ist natürlich auch eine Theorie, die Theorie
der Zyniker, die die Sinnfrage nur dann stellen, wenn ihr eigener Arsch
bedroht ist. Die Notverordnung war kein Verstoß gegen die WRV? Sie entsprach
dem freiheitlichen "Geist" (Heller) der Verfassung? Deine Auslegung hat
nichts mit Logik zu tun. Sie ist blanker Dezisionismus. Und davon gab es
schon vor 33 reichlich.

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 00:20:59 von Holger Pollmann

"Thomas Kaufmann" <> schrieb:

>> Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu
>> tun. Wenn die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist
>> ein entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene
>> Verfassung. Alles andere wäre völlig unlogisch. Deine
>> AUfgeregtheit kann ich nicht nachvollziehen.
>
> Logik? Du sprichst mir von Logik?

Ich spreche von Logik, ja.

> Deine Logik ist die eines Positivisten, der Meinungsfreiheit nur
> anerkennt, wenn sie in einer Verfassungsurkunde niedergelegt ist.

Ich weiß ja nicht genau, was für ein Problem du hast, aber irgendwie
gefällt mir der Ton nicht. Ich ziehe es daher vor, an dieser Stelle
aufzuhören.

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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 06:48:30 von usenet-08-2005

Holger Pollmann schrieb:

> Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu tun. Wenn
> die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist ein
> entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene Verfassung. Alles
> andere wäre völlig unlogisch. Deine AUfgeregtheit kann ich nicht
> nachvollziehen.

Ich glaube kaum, daß die WRV die Außerkraftsetzung der in ihr
verwirklichten vor- und überkonstitutionellen Rechtsgrundsätze zuließ.

Auch, wenn das da nicht ausdrücklich drinstand.

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 11:50:27 von Florian Kleinmanns

Holger Pollmann <> schrieb:
>> Konkret sind hier die Ermächtigungsgesetze genannt, die die
>> Verfassung zu umgehen erlaubten.
>
>Wurden die nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen? Wenn sie das
>wurden, dann haben sie die Verfassung geändert, so daß von "Umgehung"
>keine Rede sein kann.

Normen können auch - und gerade dann - umgangen werden, wenn man
Sachverhalt und Normen gezielt aufeinander abstimmt. So sind die
beliebten "Steuersparmodelle", deren Auswüchse sich streng ans Gesetz
halten, dennoch eine Umgehung des Steuerrechts, dessen Prämisse eine
Besteuerung nach Leistungsfähigkeit (und nicht eine Besteuerung nach
Steuersparmodellnutzungsfähigkeit) ist; und erst recht sind die
Ermächtigungsgesetze eine Umgehung der Weimarer Reichsverfassung.

Grüße
Florian
--
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 16:46:40 von Holger Pollmann

Jens Müller <> schrieb:

>> Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu tun.
>> Wenn die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist ein
>> entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene Verfassung.
>> Alles andere wäre völlig unlogisch. Deine AUfgeregtheit kann ich
>> nicht nachvollziehen.
>
> Ich glaube kaum, daß die WRV die Außerkraftsetzung der in ihr
> verwirklichten vor- und überkonstitutionellen Rechtsgrundsätze
> zuließ.

Welche sind das deiner Meinung nach gewesen?

--
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02.10.2003

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 16:50:30 von Holger Pollmann

Florian Kleinmanns <> schrieb:

>> Wurden die nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen? Wenn sie das
>> wurden, dann haben sie die Verfassung geändert, so daß von "Umgehung"
>> keine Rede sein kann.
>
> Normen können auch - und gerade dann - umgangen werden, wenn man
> Sachverhalt und Normen gezielt aufeinander abstimmt.

Nur fällt die "Umgehung" schwer, wenn man die Norm, die "umgangen" werden
soll, schlicht und ergreifend ändert, so daß sie das Vorgehen erlaubt,
das angestrebt wird.

Wenn ich bspw. in Deutschland die Todesstrafe dadurch erlaube, daß ich
Art. 102 GG aufhebe oder umformuliere ("Die Höchststrafe ist die
Todesstrafe; sie kann nur bei besonders schwerwiegenden Straftaten
verhängt werden."), dann habe ich wohl kaum Art. 102 GG umgangen. Und
genauso wenig hätte ich Art. 102 GG "umgangen", wenn implizite
Verfassungsänderungen nach dem GG möglich wären und ich ins StGB eine
Norm einfüge mit dem Wortlaut "Die Höchststrafe ist die Todesstrafe; sie
kann nur bei besonders schwerwiegenden Straftaten verhängt werden.".

(Das Problem, ob Art. 1 GG eine Todesstrafe in Deutschland zuläßt, mal
außen vorgelassen.)

> und erst recht sind die Ermächtigungsgesetze eine Umgehung der
> Weimarer Reichsverfassung.

Man kann es auch so sehen, daß damit der Charakter der Verfassung
geändert und sie von einem demokratischen auf einen autokratischen
Charakter geändert wurde. M.E. ließ die WRV das zu. (Für gut halte ich
das, entgegen mancher Unterstellungen hier, nicht.)

--
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02.10.2003

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 20:56:46 von Torben Anschau

Hallo,

Holger Pollmann schrieb:
> Torben Anschau <> schrieb:
>=20
>> Die Verfassung ist technisch eine Ansammlung von (höherrangigen)
>> Gesetzen, von denen einige Grundsätze legalerweise gar nicht und
>> alle anderen mit einer höheren Mehrheit zweier Kammern geändert,
>> ergänzt oder verworfen werden können.=20
>=20
> Nein. Die Verfassung ist das Normwerk, das die Grundlagen des Staates=20
> festlegt, ihn also "verfaßt". Die Verfassung ist kein Gesetz, sondern=
=20
> eine Verfassung, und schon gar nicht ist sie eine Ansammlung von=20
> Gesetzes. Das BGB ist schließlich auch nur ein Gesetz, obwohl es zigm=
al=20
> geändert wurde.

Beides kann man so sehen muss man aber nicht. Was sind Merkmale eines=20
Gesetzes? Wenn es ein formelles Gesetz ist, dann ist es eine Rechtsnorm, =

die durch den Gesetzgeber verabschiedet wurde. Im Falle des BGB ist es=20
so, dass sowohl das gesamte Bürgerliche Gesetzbuch, die einzelnen=20
Paragraphen, die Änderungsgesetze und die Einführungsgesetze Gesetze =
in=20
diesem Sinne sind. Ein Artikel in der Verfassung wird durch Gesetz=20
geändert, das Resultat ist dann ein Artikel. Dieser ist ebenfalls eine =

durch Legislativgewalt verabschiedete Rechtsnorm, quasi durch den=20
Verfassungsgesetzgeber. Man nennt die Verfassung nicht Gesetz, aber man=20
könnte es ebenso auch als solches sehen. Die Frage nach dem Rang ist=20
keine, die die Frage nach "Gesetz oder nicht" beantwortet. Denn die=20
einfachen Gesetze können auch Hierarchien bedingen und unterliegen,=20
letzteres besonders auch materielle Gesetze wie Verordnungen und=20
Richtlinien und besonders auch Landesgesetze. Aus EU-Sicht heraus wäre =

es mit der Rangfolge beim Grundgesetz als deutsche Verfassung nicht mehr =

so eindeutig mit dieser "Höchstrangigkeit".

>>> Nun, das ist nicht mehr aktuell, aber unter der Geltung der WRV=20
>>> war es m.W. so, daß ein einfaches Gesetz implizit die Verfassung
>>> ändern ko nnte - war es mit der für eine Verfassungsänderung
>>> notwendigen Mehrheit beschlossen und inhaltlich nicht mit der
>>> Verfassung vereinbar, wurde da s Gesetz so aufgefaßt, daß es
>>> insoweit die Verfassung geändert hat.=20
>> Ipsen bestätigt diese Darstellung,=20
>=20
> Na, vielen Dank ;-)
>=20
>> allerdings, um es verständlicher zu machen: Dieses
>> verfassungsändernde Gesetz war und blieb ein einfaches Gesetz. =20
>=20
> Wie man's nimmt. Man kann es auch so sehen, daß dadurch eben die=20
> Verfassung geändert wurde, ohne daß=B4ihr Wortlaut als solcher modi=
fiziert=20
> wurde.
>=20
>> Konkret sind hier die Ermächtigungsgesetze genannt, die die
>> Verfassung zu umgehen erlaubten.=20
>=20
> Wurden die nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen?=20

Ja, die wurden mit Zweidrittelmehrheit beschlossen.

Wenn sie das
> wurden, dann haben sie die Verfassung geändert, so daß von "Umgehun=
g"=20
> keine Rede sein kann.

NEIN, eben genau das trotzdem nicht. Da ist, wie Du gesagt hast, ein=20
einfaches Gesetz erlassen worden, das in dieser Form niemals in die WRV=20
gelangt ist und keinen ihrer Artikel geändert hat. Dieses einfache=20
Gesetz hat Verfassungsartikel faktisch lahmgelegt und konnte dies=20
einfach deshalb, weil es eine Zweidrittelmehrheit gab. Die=20
Ermächtigungsgesetze waren keine Verfassungsänderung, sondern eine=20
Verfassungsumgehung.
Übrigens: interessantes Thema, jetzt habe ich überhaupt erst kapiert,=
=20
wozu Art. 79 I 1 überhaupt da ist!
Nach dem Grundgesetz müssen alle Änderungen am Grundgesetz in diesem =

selbst stattfinden. Einfache Gesetze können natürlich=20
verfassungsrechtliche Vorschriften präzisieren und auch einschränken,=
=20
das gehört dann in die übliche Grundrechtsdogmatik, wo dann Zitiergeb=
ot=20
etc. eine Rolle spielen.

Torben

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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 21:02:36 von Torben Anschau

Hi,

>=20
> Bedeutung und Reichweite der Notstandsgesetzgebung war bereits in Weima=
r
> hochumstritten. Mit dem Argument, Ermächtigungsgesetze seien von Verf=
assungs
> wegen vorgesehen, haben schon die Nazis versucht, der "Notverordnung zu=
m
> Schutze von Volk und Staat" einen legalen Anstrich zu verpassen.

Nach dieser Verfassung waren sie das auch. Wurde wohl nicht nur von=20
Nazis, sondern auch in der Rechtswissenschaft so gesehen, teilweise=20
unter Heranziehung vorkonstitutionellen Rechtes, nämlich analog zur=20
1871er Verfassung.

Die
> Aufhebung von Menschenrechten für zulässig zu halten,=20

Bei dem was hier zu Debatte steht, ging es zunächst wohl nicht um=20
Menschenrechte, sondern um Staatsorganisationsrechtliche Artikel.=20
Dadurch, dass man Parlamentsvorbehalte etc. ad acta legte, konnte die=20
Reichsregierung binnen kurzer Frist schalten und walten wie sie wollte=20
und im Zuge dessen konnten Menschenrechte missachtet werden; Kontrolle=20
und Gewaltenteilung gab es nicht mehr. Die WRV wurde nie abgeschafft=20
oder geändert, sie wurde nur einfach egal.

nur weil eine
> Verfassung dafür positiv-rechtliche Verfahren bereithält, ist an Zy=
nismus
> nicht mehr zu überbieten. Ich hoffe inständig, daß Du an Deiner Ä=
ußerung
> nicht festhalten wirst.

Du hast glaube ich die Debatte nicht richtig verstanden, sonst würdest =

Du das hier so nicht schreiben.
Es geht nur um die Frage, ob diese mit Zwei-Drittel-Mehrheit=20
verabschiedeten Gesetze eine Verfassungsänderung oder eine=20
Verfassungsumgehung waren, sonst nichts.

Torben

>=20
> Gruß, Thomas
>=20
>=20

--=20
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 21:10:07 von Torben Anschau

Hallo,

Holger Pollmann schrieb:
> "Thomas Kaufmann" <> schrieb:
>=20
>>> Nein. Die Verfassung ist das Normwerk, das die Grundlagen des
>>> Staates festlegt, ihn also "verfaßt". Die Verfassung ist kein
>>> Gesetz, sondern eine Verfassung,=20
>> Der Gesetzesbegriff ist nicht auf unterverfassungsrechtliche Normen
>> beschränkbar.=20
>=20
> Es gibt einen Unterschied zwischen Verfassung und Gesetz.

Es gibt nicht nur einen sondern viele, das heißt aber nicht, dass die=20
Verfassung kein Gesetz, kein Rechtssatz wäre. Sie wird nur nicht so=20
genannt.

>=20
>> Verfassungsnormen haben Gesetzescharakter, auch wenn sie eine
>> besondere Zielstellung haben.=20
>=20
> Sie haben Normcharakter.

Das ohnehin. Den hat aber auch eine Satzung. "Generell-abstrakte Normen" =

ist der Oberbegriff für formelle und materielle Gesetze.

>>> und schon gar nicht ist sie eine Ansammlung von Gesetzes. Das BGB
>>> ist schließlich auch nur ein Gesetz, obwohl es zigmal geändert
>>> wurde. =20
>> Der Gesetzesbegriff umfaßt sowohl die einzelne Norm (=A7 433 I 1 BGB=
)
>> als auch das gesamte Regelwerk (BGB).
>=20
> =A7 433 I 1 BGB ist eine Norm mit Gesetzesrang, aber kein Gesetz.=20

Doch, es ist ein Gesetz.

> Höchstens Gesetz im materiellen Sinn,=20

Er ist formelles Gesetz, was das materielle Gesetz impliziert.

> Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu tun. Wen=
n=20
> die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist ein=20
> entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene Verfassung.=20

Ob das tatsächlich zulässig war, war nach Ipsen wohl nicht eindeutig.=
=20
Was damit gemacht wurde, ist ein Gesetz zu verabschieden, das künftige =

Verfassungsverstöße irrelevant (nicht verfassungskonform!) machte. Da=
ss=20
so etwas materiell unzulässig ist, nach sämtlichen Auslegungsmethoden=
,=20
ist klar, aber hier nicht Thema.

Alles
> andere wäre völlig unlogisch. Deine AUfgeregtheit kann ich nicht=20
> nachvollziehen.

Ich auch nicht.

Torben


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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 21:16:57 von Torben Anschau

Hi,

Thomas Kaufmann schrieb:
> "Holger Pollmann" <> schrieb:
>=20
>> Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu tun. We=
nn
>> die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist ein
>> entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene Verfassung. All=
es
>> andere wäre völlig unlogisch. Deine AUfgeregtheit kann ich nicht
>> nachvollziehen.
>=20
> Logik? Du sprichst mir von Logik? Deine Logik ist die eines Positiviste=
n,=20

Das macht ja erstmal nix.

> der Meinungsfreiheit nur anerkennt, wenn sie in einer Verfassungsurkund=
e
> niedergelegt ist.=20

Sowas einem Positivisten zu unterstellen passt nicht ganz...

Eine Verfassung ohne Verfassungstheorie ist nichts weiter
> als eine Ansammlung von Phonogrammen, die der allgemeinen Beliebigkeit
> anheimgestellt wird.=20

Hat mit dem Thema hier exakt was zu tun?

Aber das ist natürlich auch eine Theorie, die Theorie
> der Zyniker, die die Sinnfrage nur dann stellen, wenn ihr eigener Arsch=

> bedroht ist.=20

Passt nicht in die Diskussion


Die Notverordnung war kein Verstoß gegen die WRV?

Um die Notverordnungen geht es gar nicht, die liefen ja schon unter=20
Hindenburg und waren meines Wissens von der Verfassung auch gedeckt.=20
Wäre aber ein anderes Thema. Die WRV war eine Verfassung mit sehr viele=
n=20
Schwächen und Fehlern.

Sie entsprach
> dem freiheitlichen "Geist" (Heller) der Verfassung?=20

Wenn Du so willst, dem übertriebenen demokratischen Geist der=20
Verfassung. Sie wurde so demokratisch gemacht, dass es möglich war, sie=
=20
mit entsprechender Mehrheit abzuschaffen oder zu entkräften.

Deine Auslegung hat
> nichts mit Logik zu tun.=20

Es ging hier überhaupt nicht um Logik sondern einfach um Typologie und =

formelles Verfassungsrecht. Du hast das nur anscheinend nicht=20
verstanden. Lies vielleicht noch mal nach worum es geht und schreibe=20
dann was dazu.

Sie ist blanker Dezisionismus.

Was ist Dezisionismus?

Und davon gab es
> schon vor 33 reichlich.

Aha. So und jetzt komme zur Sache, wenn Du schon Deine Meinung mitteilen =

willst:
Waren die Ermächtigungsgesetze eine Verfassungsumgehung oder eine=20
Verfassungsänderung?
Abgesehen von der Verfassungs/Gesetz-Diskussion, in der ich Deine=20
Ansicht teile, geht es in diesem Thread nur darum!

Torben
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 21:23:52 von Torben Anschau

Hallo,

Jens Müller schrieb:
> Holger Pollmann schrieb:
>=20
>> Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu tun. We=
nn=20
>> die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist ein=20
>> entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene Verfassung. All=
es=20
>> andere wäre völlig unlogisch. Deine AUfgeregtheit kann ich nicht=20
>> nachvollziehen.
>=20
> Ich glaube kaum, daß die WRV die Außerkraftsetzung der in ihr
> verwirklichten vor- und überkonstitutionellen Rechtsgrundsätze zuli=
eß.
>=20
> Auch, wenn das da nicht ausdrücklich drinstand.

Nach Ipsen hat die Weimarer Staatsrechtslehre dies überwiegend so=20
aufgefasst und zwar afg. Art. 76 I 1 WRV, wonach entsprechend zur 71er=20
Verfassung Veränderungen der Verfassung im Wege der Gesetzgebung erfolg=
ten.
Dies wurde so interpretiert, dass es legitim sei, Gesetze zu erlassen,=20
die der WRV wiedersprachen, solange sie mit 2/3-Mehrheit verabschiedet=20
wurden und nicht die Einrichtung von Reichstag und -Rat zum Gegenstand=20
hatten.
Die Verfassung wurde so nach ihren eigenen Regeln beseitigt.

Torben


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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 21:35:58 von Torben Anschau

Hallo,

Holger Pollmann schrieb:
> Florian Kleinmanns <> schrieb:
>=20
>>> Wurden die nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen? Wenn sie das=20
>>> wurden, dann haben sie die Verfassung geändert, so daß von "Umgeh=
ung"=20
>>> keine Rede sein kann.=20
>> Normen können auch - und gerade dann - umgangen werden, wenn man
>> Sachverhalt und Normen gezielt aufeinander abstimmt.=20
>=20
> Nur fällt die "Umgehung" schwer, wenn man die Norm, die "umgangen" we=
rden=20
> soll, schlicht und ergreifend ändert, so daß sie das Vorgehen erlau=
bt,=20
> das angestrebt wird.

Siehst Du und genau das ist NICHT passiert.
Sondern, die haben ein Gesetz verabschiedet, in dem praktisch stand,=20
dass Verfassungsartikel nun egal wären.
Diese selbst wurden nie geändert.


>=20
> Wenn ich bspw. in Deutschland die Todesstrafe dadurch erlaube, daß ic=
h=20
> Art. 102 GG aufhebe oder umformuliere ("Die Höchststrafe ist die=20
> Todesstrafe; sie kann nur bei besonders schwerwiegenden Straftaten=20
> verhängt werden."), dann habe ich wohl kaum Art. 102 GG umgangen.=20

Du hättest dann innert der Verfassung den Schutbereich von Art.2 II 1=20
unrechtfertigbar verletzt und überdies gegen 1 I 1 verstoßen, womit d=
ies=20
nichtig wäre. Aber klar, Du hättest dann 102 nicht umgangen sondern i=
n=20
verfassungswidriger Weise geändert. Aber das ist, wie Du ja weißt nic=
ht=20
die entscheidende Analogie.

Und
> genauso wenig hätte ich Art. 102 GG "umgangen", wenn implizite=20
> Verfassungsänderungen nach dem GG möglich wären und ich ins StGB =
eine=20
> Norm einfüge mit dem Wortlaut "Die Höchststrafe ist die Todesstrafe=
; sie=20
> kann nur bei besonders schwerwiegenden Straftaten verhängt werden.".

Dann ist dies nicht eine Verfassungsänderung sondern eine Änderung de=
s=20
Verfassungsrechtes. Klingt vielleicht blöd die Unterscheidung, ist sie =

aber nicht. Du hattest dann parallel zur WRV gleichrangige und dieser=20
wiedersprechende Gesetze. Je nach dem wie sie gefasst wurden, waren sie=20
dann praktisch höherrangig. Die WRV konnte auf diese Weise bedeutungslo=
s=20
werden. Ohne dass ihr Text geändert oder verworfen wurde!
Übrigens lustig; ich glaube dieses Beispiel wäre wirklich mal eines, =
wo=20
beim GG 19 II zum Zuge kommen würde, der Wesensgehalt des Grundrechts=20
wäre angetastet, der Sinn des Artikels auf den Kopf gestellt.

Torben


>=20
> (Das Problem, ob Art. 1 GG eine Todesstrafe in Deutschland zuläßt, =
mal=20
> außen vorgelassen.)
>=20
>> und erst recht sind die Ermächtigungsgesetze eine Umgehung der
>> Weimarer Reichsverfassung.=20
>=20
> Man kann es auch so sehen, daß damit der Charakter der Verfassung=20
> geändert und sie von einem demokratischen auf einen autokratischen=20
> Charakter geändert wurde. M.E. ließ die WRV das zu. (Für gut halt=
e ich=20
> das, entgegen mancher Unterstellungen hier, nicht.)
>=20

--=20
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 22:05:53 von Torben Anschau

Hallo,

Holger Pollmann schrieb:
> Torben Anschau <> schrieb:
>=20
>> In Deutschland sind zu Änderungen am Grundgesetz nach Art. 79 II=20
>> zwingend die Zustimmung von jeweils 2/3 der Stimmen von Bundestag
>> und Bundesrat erforderlich. Daher wäre der heutige Verfassungsgeber
>> als die Gesamtheit von Bundestags- und Bundesratsmitgliedern.
>=20
> Der Bundesrat ist in Deutschland KEIN Gesetzgebungsorgan.=20

Nach Art. 50 wirken die Bundesländer über den Bundesrat an der=20
Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes sowie in Angelegenheiten der=20
Europäischen Union mit. Die grundsätzliche Mitwirkung der Länder an=
der=20
Gesetzgebung (des Bundes) ist durch die Unabänderlichkeitsklausel=20
geschützt.
Der Bundesrat ist auch ein Organ der Gesetzgebung, freilich ist er nicht =

DER Gesetzgeber. Beschlossen werden Gesetze durch den Bundestag.=20
Zustande kommen sie aber nur wenn der Bundesrat zustimmt oder keinen=20
Einspruch erhebt.
Das heißt, gegen den Willen des Bundesrates kann nur mit Überstimmung=
=20
dessen Einspruchs und dies nur bei besonderen Mehrheitsanforderungen ein =

Gesetz verabschiedet werden. Im Normalfall kann der Bundesrat nicht=20
selbständig ein Gesetz zustandekommen lassen. Dies ist allerdings im=20
Falle des Gesetzgebungsnotstandes anders, dann gilt nach 81 II ein=20
Gesetz als zustande gekommen soweit der Bundesrat zustimmt. Dann ist er=20
definitiv Gesetzgebungsorgan. Also stimmt Dein Satz höchstens nach=20
irgendwelchen begrifflichen Haarspaltereien; defacto ist der Bundesrat=20
ein Gesetzgebungsorgan.

Abgesehen davon weiß ich gar nicht, was Du damit in Bezug auf meine=20
Aussage sagen willst, ich habe da nicht behauptet, dass das Bundesrat=20
ein Gesetzgebungsorgan sei; ich hab nur geschrieben, dass der heutige=20
Verfassungsgeber die Gesamtheit von Bundestags- und=20
Bundesratsmitgliedern sei und das ist offensichtlich der Fall.

Er hat an
> der Gesetzgebung teil, aber mehr nicht. Wenn deutsche Gesetze (auch=20
> zustimmungsbedürftige oder verfassungsändernde) verkündet werden=
,=20
> wird verkündet, daß der Bundestag das Gesetz beschlossen hat.

Das ist aber keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit; Art. 82 sagt=20
dazu nichts aus. Jedenfalls reicht für die Verfassungsänderung der=20
Bundestag nicht aus. Was zumindest bei Einspruchsgesetzen nicht der Fall =

sein muss.

> Der Bundesrat ist somit also nicht verfassungsändernder Gesetzgeber,=
=20
> sondern wirkt bei Verfassungsänderungen nur mit.

Ich weiß nicht, wo Du das her hast, mag sein, dass das irgendein=20
Theoretiker sagt. Der Bundesrat wirkt genauso mit wie der Bundestag,=20
wenn in einem der beiden keine 2/3-Mehrheit erreicht wird, kommt die=20
Änderung der Verfassung nicht zustande. Die beiden Parlamente sind bei =

Verfassungsänderungen exakt gleichwichtig. Intitiativen zur=20
Verfassungsänderung dürfen ebenfalls von beiden Parlamenten=20
gleichberechtigt kommen (wie auch bei einfachen Gesetzen)

>=20
>> Historisch war es tatsächlich die Versammlung, die die Verfassung
>> verabschiedet hat, also der Parlamentarische Rat von
>> Herrenchiemsee.=20
>=20
> Nein, historisch war es der Parlamentarische Rat, der das ganze auf=20
> den Weg gebracht hat -

Äh, nichts anderes habe ich geschrieben!

ganz ohne einen Bundesrat.

Nichts anderes habe ich behauptet

Und auf
> Herrenchiemsee hat VOR dem Zusammentreten des Parlamentarischen Rates=20
> eine Konferenz getagt.

In Rüdesheim. Ist mir bekannt, tat aber nichts zur Sache.


Torben
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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 22:06:49 von Holger Pollmann

Torben Anschau <> schrieb:

>> Wenn ich bspw. in Deutschland die Todesstrafe dadurch erlaube, daß
>> ic h Art. 102 GG aufhebe oder umformuliere ("Die Höchststrafe ist
>> die Todesstrafe; sie kann nur bei besonders schwerwiegenden
>> Straftaten verhängt werden."), dann habe ich wohl kaum Art. 102 GG
>> umgangen.
>
> Du hättest dann innert der Verfassung den Schutbereich von Art.2 II
> 1 unrechtfertigbar verletzt und überdies gegen 1 I 1 verstoßen,
> womit dies nichtig wäre.

Lassen wir Art. 1 GG mal außen vor.

Eine Abschaffung des Verbots der Todesstrafe in Art. 102 GG kann kein
Verstoß gegen Art. 2 II GG sein, denn das Grundgesetz bindet (von
Art. 79 III GG abgesehen) den verfassungsändernden Gesetzgeber gerade
nicht - so wenig, wie einfache Gesetze den einfachen Gesetzgeber binden.
Sie tun's nicht, sonst könnte der Gesetzgeber einmal geschaffene Gesetze
nicht ändern, und eben deshalb kann, wenn ansonsten alles okay ist und
Art. 79 III GG nicht verletzt wird, der verfassungsändernde Gesetzgeber
auch die Todesstrafe wieder einführen. (Wie gesagt, Art. 1 GG mal außen
vor, und wenn's geht, bitte auch das Völkerrecht.)

Eine wirksame Verfassungsnorm kann nicht gegen eine andere
Verfassungsnorm verstoßen, sondern die Normen sind durch Auslegung
miteinander in Einklang zu bringen. So ist z.B. Art. 12a GG kein Verstoß
gegen Art. 3 GG, sondern vielmehr wird Art. 3 GG durch Art. 12a GG
eingeschränkt.

> Aber klar, Du hättest dann 102 nicht umgangen sondern in
> verfassungswidriger Weise geändert.

Das wäre (unter den erwähnten Prämissen) verfassungsgemäß. Ein
verfassungswidriges verfassungsänderndes Gesetz wäre schlicht und
ergreifend nichtig, womit die Verfassung nicht geändert würde.

>> genauso wenig hätte ich Art. 102 GG "umgangen", wenn implizite
>> Verfassungsänderungen nach dem GG möglich wären und ich ins StGB
>> eine Norm einfüge mit dem Wortlaut "Die Höchststrafe ist die
>> Todesstrafe; sie kann nur bei besonders schwerwiegenden
>> Straftaten verhängt werden.".
>
> Dann ist dies nicht eine Verfassungsänderung sondern eine Änderung
> des Verfassungsrechtes.

Es ist eine implizite Verfassungsänderung - die Verfassung des Staates
ist dann eine andere, der Staat ist anders verfaßt.

> Übrigens lustig; ich glaube dieses Beispiel wäre wirklich mal
> eines, wo beim GG 19 II zum Zuge kommen würde, der Wesensgehalt des
> Grundrechts wäre angetastet, der Sinn des Artikels auf den Kopf
> gestellt.

Ähm... häh? Dir ist schon klar, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber
weder an Art. 2 II GG noch an Art. 19 II GG gebunden ist?

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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 22:11:01 von Holger Pollmann

Torben Anschau <> schrieb:

>> Wenn sie das wurden, dann haben sie die Verfassung geändert, so
>> daß von "Umgehun g" keine Rede sein kann.
>
> NEIN, eben genau das trotzdem nicht. Da ist, wie Du gesagt hast,
> ein einfaches Gesetz erlassen worden, das in dieser Form niemals in
> die WRV gelangt ist und keinen ihrer Artikel geändert hat.

Und das war nach h.M. bei der WRV auch nich tnötig, um diese zu ändern.

> Dieses einfache Gesetz hat Verfassungsartikel faktisch lahmgelegt

Wenn das Gesetz rechtmäßig war und mit der erforderlichen Mehrheit
erlassen wurde, hat es die Verfassung geändert. Das ist dann weder
faktisch was noch ist es eine Lahmlegung; es ist eine rechtliche
Maßnahme, die zu einer Rechtsänderung führt.

> Die Ermächtigungsgesetze waren keine Verfassungsänderung, sondern
> eine Verfassungsumgehung.

Ich wiederhole jetzt nich tnochmal,w as ich geschrieben habe.

> Übrigens: interessantes Thema, jetzt habe ich überhaupt erst
> kapiert, wozu Art. 79 I 1 überhaupt da ist!

Damit klar ist, was Verfassung ist, exakt.

> Nach dem Grundgesetz müssen alle Änderungen am Grundgesetz in
> diesem selbst stattfinden. Einfache Gesetze können natürlich
> verfassungsrechtliche Vorschriften präzisieren

U.u., ja.

> und auch einschränken,

Das kann man so nicht sagen. Sie können verfassungsrechtliche Regelungen
beschränken, soweit die Verfassung das zuläßt, damit wird aber die
Verfassung gerade nicht eingeschränkt, denn sie selbst sieht es ja vor.

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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 22:18:02 von Holger Pollmann

Torben Anschau <> schrieb:

>>> In Deutschland sind zu Änderungen am Grundgesetz nach Art. 79 II
>>> zwingend die Zustimmung von jeweils 2/3 der Stimmen von Bundestag
>>> und Bundesrat erforderlich. Daher wäre der heutige
>>> Verfassungsgeber als die Gesamtheit von Bundestags- und
>>> Bundesratsmitgliedern.
>>
>> Der Bundesrat ist in Deutschland KEIN Gesetzgebungsorgan.
>
> Nach Art. 50 wirken die Bundesländer über den Bundesrat an der
> Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes sowie in Angelegenheiten der
> Europäischen Union mit.

Exakt. Der Bundesrat erläßt aber nicht die Gesetze. Der einzelne
Bundestagsabgeordnete wirkt auch an der Gesetzgebung mit, ebenso der
Bundespräsident, aber trotzdem sind beide keine Organe der Gesetzgebung
(der Abgeordnete ist aber immerhin Teil eines solchen).

> Das heißt, gegen den Willen des Bundesrates kann nur mit
> Überstimmung dessen Einspruchs und dies nur bei besonderen
> Mehrheitsanforderungen ein Gesetz verabschiedet werden. Im
> Normalfall kann der Bundesrat nicht selbständig ein Gesetz
> zustandekommen lassen. Dies ist allerdings im Falle des
> Gesetzgebungsnotstandes anders, dann gilt nach 81 II ein Gesetz als
> zustande gekommen soweit der Bundesrat zustimmt.

DAS ist dann tatsächlich ein Fall, wo der Bundesrat mal Gesetzgeber ist,
da stimme ich dir vollkommen zu.

> Abgesehen davon weiß ich gar nicht, was Du damit in Bezug auf meine
> Aussage sagen willst,

Da der Bundesrat nicht Gesetzgeber ist, kann er bei verfassungsändernden
Gesetzen auch nicht verfassungsändernder Gesetzgeber sein.

>> Er hat an der Gesetzgebung teil, aber mehr nicht. Wenn deutsche
>> Gesetze (auch zustimmungsbedürftige oder verfassungsändernde)
>> verkündet werden , wird verkündet, daß der Bundestag das Gesetz
>> beschlossen hat.
>
> Das ist aber keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit;

Die Aussage ist nicht von mir, sondern vom BVerfG.

> Art. 82
> sagt dazu nichts aus. Jedenfalls reicht für die Verfassungsänderung
> der Bundestag nicht aus.

Stimmt, der BPräs muß sie auch ausfertigen. Ist er deshalb
verfassungsändernder Gesetzgeber? Nein? Warum nicht? Ohne die
Ausfertigung geht es nicht, demnach wäre nach deiner Aussage der BPräs
ein verfassungsgebendes Organ.

>> Der Bundesrat ist somit also nicht verfassungsändernder
>> Gesetzgeber, sondern wirkt bei Verfassungsänderungen nur mit.
>
> Ich weiß nicht, wo Du das her hast,

BVerfGE 37, 363 (380 f.).

(Allerdings nur in Bezug auf den einfachen Gesetzgeber, um
Verfassungsänderungen ging es da nicht.)

> mag sein, dass das irgendein Theoretiker sagt.

Na ja...

> Der Bundesrat wirkt genauso mit wie der Bundestag, wenn in einem
> der beiden keine 2/3-Mehrheit erreicht wird, kommt die Änderung der
> Verfassung nicht zustande. Die beiden Parlamente sind bei
> Verfassungsänderungen exakt gleichwichtig.

Der Bundesrat ist kein Parlament. Er ist nicht einmal Teil eines
solchen, insbesondere ist er keine zweite Kamme des bundesdeutschen
Parlamentes.

>> ganz ohne einen Bundesrat.
>
> Nichts anderes habe ich behauptet

Sorry, dann hatte ich dich da mißverstanden.

>> Und auf Herrenchiemsee hat VOR dem Zusammentreten des
>> Parlamentarischen Rates eine Konferenz getagt.
>
> In Rüdesheim. Ist mir bekannt, tat aber nichts zur Sache.

Sorry, daß ich Fehler korrigiere. Aber so etwas lasse ich nicht gerne so
stehen.

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Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 22:20:18 von Torben Anschau

> Lassen wir Art. 1 GG mal außen vor.
>=20
> Eine Abschaffung des Verbots der Todesstrafe in Art. 102 GG kann kein=20
> Verstoß gegen Art. 2 II GG sein, denn das Grundgesetz bindet (von=20
> Art. 79 III GG abgesehen) den verfassungsändernden Gesetzgeber gerade=
=20
> nicht - so wenig, wie einfache Gesetze den einfachen Gesetzgeber binden=
=20
> Sie tun's nicht, sonst könnte der Gesetzgeber einmal geschaffene Gese=
tze=20
> nicht ändern, und eben deshalb kann, wenn ansonsten alles okay ist un=
d=20
> Art. 79 III GG nicht verletzt wird, der verfassungsändernde Gesetzgeb=
er=20
> auch die Todesstrafe wieder einführen. (Wie gesagt, Art. 1 GG mal auß=
en=20
> vor, und wenn's geht, bitte auch das Völkerrecht.)

Geschenkt

>> Aber klar, Du hättest dann 102 nicht umgangen sondern in
>> verfassungswidriger Weise geändert.=20
>=20
> Das wäre (unter den erwähnten Prämissen) verfassungsgemäß. Ei=
n=20
> verfassungswidriges verfassungsänderndes Gesetz wäre schlicht und=20
> ergreifend nichtig, womit die Verfassung nicht geändert würde.

Das wäre der Fall, überwiegend wird es so gesehen, dass Todesstrafe a=
uch=20
ohne 102 nur aufgrund 1I verboten bleiben müsste.

>>> genauso wenig hätte ich Art. 102 GG "umgangen", wenn implizite=20
>>> Verfassungsänderungen nach dem GG möglich wären und ich ins StG=
B=20
>>> eine Norm einfüge mit dem Wortlaut "Die Höchststrafe ist die
>>> Todesstrafe; sie kann nur bei besonders schwerwiegenden
>>> Straftaten verhängt werden.".=20
>> Dann ist dies nicht eine Verfassungsänderung sondern eine Änderung=

>> des Verfassungsrechtes.=20
>=20
> Es ist eine implizite Verfassungsänderung - die Verfassung des Staate=
s=20
> ist dann eine andere, der Staat ist anders verfaßt.

Das nenne ich Verfassungsrecht und nicht DIE Verfassung. Die Verfassung=20
ist in diesem Sinne der eigentlich Verfassungstext. Und der ist nicht=20
geändert worden. Also, wahrscheinlich können wir uns so einigen: Nach=
=20
der WRV war es möglich, den Verfassungstext außerhalb desselben zu=20
ändern, ergänzen oder außer Kraft zu setzen und das darf heute nich=
t=20
mehr sein.

>> Übrigens lustig; ich glaube dieses Beispiel wäre wirklich mal
>> eines, wo beim GG 19 II zum Zuge kommen würde, der Wesensgehalt des
>> Grundrechts wäre angetastet, der Sinn des Artikels auf den Kopf
>> gestellt.=20
>=20
> Ähm... häh? Dir ist schon klar, daß der verfassungsändernde Ges=
etzgeber=20
> weder an Art. 2 II GG noch an Art. 19 II GG gebunden ist?

Nein, wenn Du ins StGB schreiben würdest, dass Todesstrafe ab und zu=20
doch erlaubt wäre. Das wäre die Negation zu 102 GG.

Torben>

--=20
Moege der Inhalt wichtiger sein als die Form
Um mir per PM antworten zu können muss statt muelleimer anschau vor dem=
=20
@ in der Mailadresse stehen!
www.wachstumsstudien.de
www.schauan.com

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 16.01.2006 22:23:19 von Holger Pollmann

Torben Anschau <> schrieb:

>>> Aber klar, Du hättest dann 102 nicht umgangen sondern in
>>> verfassungswidriger Weise geändert.
>>
>> Das wäre (unter den erwähnten Prämissen) verfassungsgemäß. Ei n
>> verfassungswidriges verfassungsänderndes Gesetz wäre schlicht und
>> ergreifend nichtig, womit die Verfassung nicht geändert würde.
>
> Das wäre der Fall, überwiegend wird es so gesehen, dass Todesstrafe
> auch ohne 102 nur aufgrund 1I verboten bleiben müsste.

Drum schrub ich auch in meinem Urpsrungsposting, daß wir bitte Art. 1 GG
mal außen vorlassen, weil's mir hier nicht darum ging. Die Todesstrafe
war ein schönes Beispiel, aber ich hätte auch sonst etwas nehmen können.

>>> Übrigens lustig; ich glaube dieses Beispiel wäre wirklich mal
>>> eines, wo beim GG 19 II zum Zuge kommen würde, der Wesensgehalt
>>> des Grundrechts wäre angetastet, der Sinn des Artikels auf den
>>> Kopf gestellt.
>>
>> Ähm... häh? Dir ist schon klar, daß der verfassungsändernde Ges
>> etzgeber weder an Art. 2 II GG noch an Art. 19 II GG gebunden
>> ist?
>
> Nein, wenn Du ins StGB schreiben würdest, dass Todesstrafe ab und
> zu doch erlaubt wäre. Das wäre die Negation zu 102 GG.

Ja. Und ich schrieb noch dazu "wenn implizite
Verfassungsänderungen nach dem GG möglich wären". Das hatte schon einen
Grund.

--
( ROT-13 if you want to email me directly: )
"Sie tragen Trauer? Der Untergang der DDR?" - "Nein, Leni Riefenstahl.
Der Führer hat sie zu sich genommen." -- Abschiedsshow Scheibenwischer,
02.10.2003

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 17.01.2006 08:45:51 von Thomas Kaufmann

"Torben Anschau" schrieb:

>>> Doch, daran halte ich fest, und mit Zynismus hat das nichts zu tun. Wenn
>>> die Verfassung ein bestimmtes Vorgehen zuläßt, dann ist ein
>>> entsprechendes Vorgehen kein Verstoß gegen eben jene Verfassung. Alles
>>> andere wäre völlig unlogisch. Deine AUfgeregtheit kann ich nicht
>>> nachvollziehen.
>>
>> Logik? Du sprichst mir von Logik? Deine Logik ist die eines Positivisten,

> Das macht ja erstmal nix.

Dein Einwand ergibt keinen Sinn. Holger war so frei, seine Auffassung als
allein gültige logische Schlußfolgerung zu bezeichnen, während ich darauf
hinwies, daß bei ihm lediglich begriffslogische Überlegungen eine Rolle
spielen und andere hermeneutische Kriterien bewußt ausgeblendet werden. Das
aber ist nicht Logik, sondern eine Wertentscheidung, die Wertneutralität nur
simuliert. Die Steigbügelhalter der Nazis hatten nicht die methodologischen
Mittel, den als legal behaupteten Verfassungsbruch der Nazis zu verhindern,
weil sie sich methodologisch reduzierten und dies als Reine Rechtslehre
ausgaben. Daher ist auch Dein Hinweis zweitrangig, die WRV weise
positiv-rechtliche Schwächen und Fehler auf. Diese "Schwächen" waren
rechtspositivistisch verantwortete Einfallstore für jene, die die
Ermächtigungskompetenz nicht im Sinne der Verfassung, sondern zur Aufhebung
der Verfassung verwendeten. Es würde nicht schaden, sich einmal etwas
intensiver mit Verfassungsgeschichte zu beschäftigen. Dann wird man auch
erkennen können, daß diese Diskussion in der Verfassungslehre heute als
weitgehend überwunden gelten kann.

Das war auch der Grund meiner "Aufgeregtheit", wie Holger sich zu äußern
beliebte. Ich wurde durch die Tatsache überrascht, daß ein kluger Kopf wie
Holger eine derart veraltete und gefährliche Position beziehen kann. Und er
zieht ja nicht einmal in Erwägung, seine Ansicht zu überdenken. Das beweist
Eure Debatte zur Todesstrafe. Schon das Diktum, Verfassungsrecht kann nicht
verfassungswidrig sein, verhindert jede Diskussion darüber, in welcher
Beziehung die Todesstrafe zur Menschenwürde steht. Und dahinter verbirgt
sich wiederum die dann unerreichbare Frage, ob die Menschenwürde nur deshalb
unantastbar ist, weil wir einen Art. 1 I 1 GG haben.

>> Sie entsprach
>> dem freiheitlichen "Geist" (Heller) der Verfassung?
>
> Wenn Du so willst, dem übertriebenen demokratischen Geist der
> Verfassung. Sie wurde so demokratisch gemacht, dass es möglich war, sie
> mit entsprechender Mehrheit abzuschaffen oder zu entkräften.

Die Nazis als demokratische Volksbewegung... Ich fasse es nicht.

Re: Unterschied Verfassungsgeber - einfacher Gesetzgeber

am 17.01.2006 15:43:31 von Werner Olschewski

Thomas Kaufmann wrote:

>>> Sie entsprach
>>> dem freiheitlichen "Geist" (Heller) der Verfassung?
>>
>> Wenn Du so willst, dem übertriebenen demokratischen Geist der
>> Verfassung. Sie wurde so demokratisch gemacht, dass es möglich
>> war, sie mit entsprechender Mehrheit abzuschaffen oder zu
>> entkräften.
>
> Die Nazis als demokratische Volksbewegung... Ich fasse es nicht.

Die Weimarer Verfassung war demokratischer als das Grundgesetz, da
sie keinen gegen Veraenderung durch eine Mehrheit geschuetzten Kern
hatte wie das Grundgesetz. Das Vorgehen der Nazis und ihrer
konservativen Koalitionspartner war formal korrekt, sie haben die
Weimarer Verfassung abgeschaft, ohne sie dabei zu verletzen.

Um zu verhindern, dass das mit dem Grundgesetz ebenfalls gemacht
wird, hat dieses unveraenderliche Bestandteile, beim Grundgesetz ist
den Menschrechten ein hoehrer Wert beigemessen wurden als der
Demokratie. Dies sieht man schon an den jeweils ersten Artikeln:

WRV:
(1) Das Deutsche Reich ist eine Republik.
(2) Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.

GG:
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
....




Gruss
Werner