Achim H. Pollert: Stichtwort Kapitalanlage V

Achim H. Pollert: Stichtwort Kapitalanlage V

am 27.04.2006 11:17:00 von schoengeist

STICHWORT KAPITALANLAGE V

WER LEBT VOM VERKAUF VON AKTIEN?

von Achim H. Pollert (*)
Liste aller Schriften am Ende des Textes

Dass sich die Menschen immer mal wieder der einen oder anderen Illusion
hingeben, wenn es um die Einschätzung der Börse und der Natur des
Aktiengeschäfts überhaupt geht, ist bekannt. In einem Beitrag dieser
kleinen Schriftenreihe wurde darauf auch schon einmal hingewiesen (vgl.
Achim H. Pollert: "Das Nullsummenspiel").

Erstaunlich ist dabei insbesondere auch, dass immer mal wieder durchaus
intelligente und vermeintlich sachkundige Leute dem einen oder anderen
Irrglauben in diesem Dunstkreis aufsitzen. Entsprechend bekannt und
abgedroschen fallen dann meist auch die Kommentare aus, die auf die
Feststellung von bestimmten Tatsachen zur Finanzwelt abgegeben werden.

Probleme etwa bereitet vielen Menschen nicht nur das Verhältnis von
Börse und Anleger sondern auch der Zusammenhang zwischen Aktie und
Aktiengesellschaft. Als Anleger sollte man sich über diesen
Zusammenhang aber im klaren sein.

VOM SINN DER BOERSE

Wenn Mister X von Mister Y eine Siemens-Aktie kauft, dann hat das in
der Regel heute auf den Siemens-Konzern nicht die geringste Auswirkung.
Auch wenn Mister X von Mister Y heute zehntausend Siemens-Aktien kauft,
spielt das zunächst für die Siemens AG keine Rolle.

Mister X bezahlt den Kaufpreis (d.h. den heutigen Kurswert) an Mister
Y

Die beteiligten Dienstleister, d.h. Broker und/oder Bank, streichen
ihre Gebühren ein. Je nach Finanzplatz kassiert der Staat die eine
oder andere Steuer (Umsatz-, Stempel-, Kapitalmarktabgaben u.s.w.).

Die Siemens AG, die diese Aktien vielleicht vor Jahrzehnten einmal
ausgegeben hat, sieht von diesem Geld keinen Pfennig. Weder jetzt beim
Eigentümerwechsel, noch irgendwann sonst.

Und das ist grundsätzlich bei beinahe allen Börsentransaktionen so.
Das Geschäft spielt sich ab zwischen Käufer und Verkäufer. Zu der
börsenkotierten Gesellschaft hingegen besteht meist keine weitere
Bindung mehr. Oft wird ja auch bei den grossen an der Börse
gehandelten Aktiengesellschaften oft von "Publikums-AG's" gesprochen,
die sich im "Streubesitz" befinden.

Nun wird es sehr oft als "Sinn der Börse" bezeichnet, der Wirtschaft
Finanzmittel zuzuführen.

Wenn es nun aber so ist, dass die grossen Wirtschaftsunternehmen von
dem Geld, das man für eine Aktie bezahlen muss, meistens gar nichts
sehen... wie kann dann dieser Aktien-Handelsplatz der Wirtschaft Mittel
zuführen? Das bezahlte Geld erhält der Verkäufer der Aktie - in fast
allen Fällen nicht die Aktiengesellschaft selbst.

Wenn Mister X. an Mister Y. Geld für eine Aktie überweist, was soll
das mit der Finanzierung der betreffenden AG zu tun haben?

Wer bisher noch einen Zweifel daran hatte, dass an der Börse keine
Werte geschaffen werden, mag vielleicht auch hierüber etwas
nachdenken.

Wie es scheint, hat die Börse zunächst einmal die eine Auswirkung,
dass auf diesem Marktplatz ein Preis für die gehandelten Aktien
festgelegt wird.

Im Gegensatz zu allfälligen Gutachten und Expertenmeinungen haben die
Wertfeststellungen der Börse allerdings den Vorteil, dass es sich
dabei um tatsächlich bezahlte Preise handelt. Anders also als bei
einer vagen Schätzung eines Kunsthändlers etwa zum Wert eines
Gemäldes weiss man bei einem Aktienkurs zuverlässig, dass dieser
Preis wirklich dafür bezahlt wurde.

Viel mehr als vielleicht die "Finanzierung der Wirtschaft" scheint
diese "Preisermittlung der Aktien" den eigentlichen Sinn der Börse als
Aktien-Handelsplatz auszumachen.

DER AKTIONAER IST FIRMEN-EIGENTUEMER

Wer für sein Erspartes eine Aktie kauft, erwirbt eigentlich einen
Anteil an dem betreffenden Unternehmen.

Das gibt es im privaten Bereich durchaus auch häufiger. So etwa
befinden sich die Aktien so mancher, nicht an der Börse kotierte
Familien-AG im Besitz einer Reihe von Cousins und Cousinen. Solche
"Clans" rund um eine Firma kennt man wohl überall. Oft gehen die
Anteile der einzelnen Aktionäre auf die verwandtschaftlichen
Verhältnisse vergangener Jahrhunderte zurück.

Nun ist es in solchen Privatfirmen eher üblich, dass das Unternehmen
einen Gewinn erzielt und dass dieser Gewinn an die Inhaber, d.h. die
Aktionäre ausgeschüttet wird.

Das ist eigentlich ganz normal für jedes Wirtschaftsunternehmen, dass
nämlich der oder die Inhaber den Gewinn erhalten. Wäre dieser Gewinn
nicht ausreichend hoch, dann würden diese Inhaber das Geschäft
schliesslich gar nicht in dieser Form betreiben.

Fallen aber Gewinne in ausreichender Höhe an, dann wissen wir, dass
sich die Abkömmlinge solcher Clans auch nach Generationen, nach vielen
Erbteilungen, nach historischen Umbrüchen wie Kriegen und Revolutionen
immer noch in der beneidenswerten Lage befinden, keiner Erwerbsarbeit
nachgehen zu müssen.

Bei börsenkotierten Publikumsgesellschaften mit Massenaktionären ist
das in aller Regel nicht mehr so.

Wer sich heute eine Aktie kauft, wird zwar auch zum Mitinhaber, zum
eigentlich voll berechtigten Miteigentümer des Unternehmens, braucht
aber nicht darauf zu hoffen, jemals aus den Gewinnen dieses
Unternehmens ein eigenes Einkommen zu schaffen.

Natürlich verteilt auch eine Publikums-AG einmal im Jahr ihren
Netto-Gewinn an das Heer der Aktionäre.

Diesen Gewinnanteil nennt man bekanntlich Dividende.

Aber solche jährlichen Dividendenzahlungen stehen normalerweise in
keinem nennenswerten Verhältnis zum Kaufpreis der Aktie. Betrachtet
man den Betrag, mit dem man sich bei einer solchen Aktiengesellschaft -
in Form des Kurspreises - als Inhaber "einkaufen" muss, dann bildet die
damit erzielbare Dividende eine äusserst schwache Verzinsung. Jedes
Sparkonto rentiert besser - und das bei deutlich geringerem Risiko.

Wir stellen also fest, dass hier der "Kapitalismus" auch auf der
"Gegenfahrbahn" nicht so recht seinen Grundsätzen folgt. Einerseits
fliesst das Geld des Investors nicht wirklich in die Kasse des
Unternehmens. Andererseits erzielt dieser Investor als
Firmeneigentümer auch nicht die Gewinne, die er mit seinem Kapital
eigentlich machen könnte.

Um die Absurdität dann komplett zu machen: Bei Firmen, die besonders
erfolgreich sind und besonders grosse Gewinne erzielen, lohnt sich der
Gewinnanteil der Eigentümer noch weniger! Je erfolgreicher nämlich
ein Unternehmen ist, desto höher ist sein Aktienkurs. Und somit muss
man als Aktionär mehr Kapital aufwenden, um sich hier einzukaufen -
dh. prozentual wird die Dividende tendentiell wieder kleiner
ausfallen.

Also auch hier eher eine verkehrte Kapitalisten-Welt.

Merkwürdig ist vor diesem Hintergrund, dass Eigentümer-Papiere, die
in ihren Inhaberrechten irgendwie beschränkt sind (z.B. Genussscheine,
vinkulierte Aktien, Namensaktien) oft zwar auf den gleichen Nennwert
laufen, jedoch an der Börse zu erheblich geringeren Kurswerten
gehandelt werden.

Nachdem die Eigentümer-Rechte bei diesen Papieren faktisch kaum eine
Rolle spielen, widerspricht auch dies eigentlich nicht der
wirtschaftlichen Vernunft.

DER AKTIENERFOLG IST KURSABHAENGIG

Wer also nicht Unternehmensgründer oder einer von dessen Erben ist,
wer also später - an der Börse - seinen "Anteil" an der Firma gekauft
hat, wird auch über diese seine Firmenbeteiligung kein sorgenfreies
Einkommen, soll heissen, vertretbare Kapitalrendite generieren.

Interessant bei der Aktienanlage ist für weitaus die meisten
Aktionäre einzig und alleine der mögliche Anstieg des Kurses der
betreffenden Aktie an der Börse. "Kaufe für 500 - verkaufe für
1,000" - und schon hat man sein Geld verdoppelt. Dies allerdings nur
unter zwei Voraussetzungen, nämlich

- dass man auch wirklich verkauft (denn nur dann hat man sein
Geld), und
- dass der Kurs auch wirklich auf 1,000 ansteigt (und nicht auf
250 sinkt)

Rein rechtlich wird man durch den Kauf einer Aktie zwar zum
Firmeneigentümer. Zum eigentlichen Unternehmer - zum klassischen
Fabrikbesitzer, zum Geschäftsinhaber, zum Partner der anderen
Aktionäre - wird man dadurch aber nicht.

Dabei bildet sich der Kurs einer Aktie im wesentlichen durch die
Einschätzung, die die grosse Börsen-Oeffentlichkeit von der
betreffenden Firma hat - nicht so sehr vom tatsächlichen Erfolg des
Unternehmens aus seiner Erwerbstätigkeit.

Wenn ein Unternehmen etwa insgesamt ein positives Ansehen hat und
vielleicht sogar so etwas wie eine "nationale Institution" darstellt,
dann gilt dessen Aktienkurs als sehr stabil und die Investition darin
als sehr sicher. So etwa manche grosse Bank oder - in der Vergangenheit
- auch manche Fluglinie.

Wenn einem Manager besonders viel zugetraut wird - oft auch nur, wenn
er besonders publikums- und medienwirksam auftritt -, dann kann ein
Aktienkurs steigen, wenn er neu an Bord kommt, und fallen, wenn er sich
aus dem Vorstand verabschiedet. So konnte man schon beobachten, dass
ein Aktienkurs merklich nach oben ausschlug, wenn etwa ein in Skandale
verstrickter Geschäftsführer sein Amt niederlegte.

Oder wird beispielsweise erwartet, dass eine Firma eine neue
Technologie entwickeln wird, die sich gut vermarkten lässt, dann
können auch solche Spekulationen erhebliche Kursanstiege nach sich
ziehen.

Auch hier ist zu erkennen: Sehr häufig hat der unmittelbare
wirtschaftliche Werdegang der betreffenden Aktiengesellschaft mit dem
Kurs der Aktie an der Börse direkt kaum etwas zu tun. Es kann sogar
der Fall sein, dass eine AG über Jahre hinweg satte Verluste schreibt
und trotzdem beständig steigende Börsenkurse aufweist.

Von Bedeutung ist vielmehr vor allem, dass ein Käufer zum Zeitpunkt
des Ausstiegs aus der Aktie die Erwartung hat, dass der Kurs des
Papiers weiter ansteigt.

So war das auch ursprünglich schon, als der eigentliche Gründer und
Eigentümer der Firma seine Anteile an der Börse verkaufte. Denn schon
damals gab es Käufer, die an nichts weiter glaubten, als dass der Kurs
der Aktien ansteigen würde.

Publicity der Aktiengesellschaft ist somit einer der entscheidenden
Erfolgsfaktoren für das Ansteigen der Aktienkurse an der Börse.
Tatsache ist ja auch, dass die grossen Aktiengesellschaften immer
wieder ganz gerne in PR investieren und auf ihr Ansehen in der
Oeffentlichkeit achten.

Um nun aber die Verwirrung komplett zu machen: Wenn nun die Firmen
meistens ja gar nichts sehen vom Geld, das beim Verkauf einer ihrer
Aktien ("X. an Y.") bezahlt wird - und wenn das Ganze weitgehend
unabhängig vom eigentlichen Geschäftserfolg der Firma am Markt ist...
warum sind die AGs dann eigentlich so sehr daran interessiert, den Kurs
ihrer Aktie stabil zu halten?

WER VERDIENT AM AKTIENKURS?

Während für den Aktionär die einzige Möglichkeit, an der
Investition in Aktien zu verdienen, im Kursgewinn besteht, bietet sich
für die Aktiengesellschaft noch eine höchst lukrative Möglichkeit,
hier Geld regelrecht zu "machen". Und zwar ohne eigentliches Risiko.

Nehmen wir eine Firma "Beispiel AG".

Die Aktien dieser Firma lauten auf 100 Euro Nennwert. An der Börse
werden diese Aktien zu 1,000 Euro gehandelt. Sicher: Wenn X an Y an der
Börse 1,000 Euro bezahlt, dann hat die Beispiel AG davon in der Tat
nichts.

Wenn nun aber die Beispiel AG neue Aktien ausgibt, dann klingelt dort
so richtig die Kasse.

Denn dann erhält die Beispiel AG für jede ausgegebene Aktie den
Kurswert - also 1,000 Euro in echtem Geld.

Für diese Einnahme jedoch muss in der Buchhaltung beim Kapital nur der
Nennwert - also 100 Euro - verbucht werden. (Für Buchführungs-Freaks:
Bei den Passiven muss man 100 Euro verbuchen, während man bei den
Aktiven einen Eingang von 1,000 Euro verzeichnet.)

Somit verzeichnet die Beispiel AG mit jeder neu ausgegebenen Aktie
einen verdeckten "Gewinn" von 900 Euro. Das sind gewinnartige Einnahmen
der Firma - eine Zufluss von Geld, dem seinerseits kein eigentlicher
Aufwand gegenübersteht.

Es handelt sich dabei sogar um eine Form von Gewinnen, die das
Unternehmerherz höher schlagen lässt. Denn man musste dafür
wortwörtlich "nichts" tun - ausser in der Oeffentlichkeit gut
dazustehen. Kein Einkauf. Keine Produktion. Kein Vertrieb. Keine
Mehrwertsteuerabrechnung. Einfach nur Geld direkt in die Kasse.

Und das ist der eigentliche springende Punkt am ganzen Aktien- und
Börsenwesen.

Wenn die Beispiel AG einmal jährlich 200,000 Stück Aktien ausgibt,
dann ist sie in der Lage, in diesem Geschäftsjahr einen Jahresgewinn
von 180 Millionen Euro auszuweisen. - wenn ihr eigentliches Geschäft
(ein Chemie-Konzern, der Betrieb einer Bank, ein Bau-Konzern, der
Betrieb einer Fluglinie) keinen roten Heller eingebracht hat.

Und wenn diese Publikums-Aktiengesellschaft aus ihrem angestammten
Geschäft, sagen wir, 50 Millionen Verlust gemacht hat, dann kann sie
in ihrem Jahresabschluss immer noch einen Gewinn von 130 Millionen
ausweisen - und braucht damit in der Oeffentlichkeit immer noch nicht
als "Pleite-Laden" dazustehen (was den Grundstein für neue
gewinnträchtige Aktienausgaben legt).

Was in diesem Fall - bei der Ausgabe neuer Aktien - mit gewaltigen
Erträgen verkauft wird, ist nichts weiter als die Aktie selbst. Und
das ist die Finanzierung, die der Wirtschaft somit über die Börse
zufliesst.

UND WER VERDIENT MIT?

So wird hier nun klar, warum die grossen Aktiengesellschaften ein so
brennendes Interesse am Steigen des Kurses ihrer eigenen Aktien haben.
Genau genommen haben sie ein dringendes Interesse daran, dass der
Kurswert des Titels den Nennwert um möglichst viel übersteigt.
(Tatsächlich ist das ja auch bei den grossen AGs der Regelfall.)

Denn diese Differenz stellt für das Unternehmen das eigentliche
Einnahmen-Potential dar - viel mehr als etwa die unsichere Entwicklung
auf dem Geschäftsmarkt. So richtig Geld machen lässt sich hier - an
der Börse. In erster Linie für die Firmen. Viel mehr als durch die
Plazierung eines neu entwickelten Elektronik-Teils am hart umkämpften
Markt, eines neuen Autos beim übersättigten Publikum, eines neuen
Medikaments im bankrotten Gesundheitssystem u.s.w.

Das eigentliche Geschäft tritt eher in den Hintergrund. Ueberspitzt
liesse sich sagen, dass dies nur noch zur Produktion guter Nachrichten
dient, die den Börsenkurs weiter anheizen.

Sehr folgerichtig daran ist dann auch, dass die oberen Manager solcher
Grossfirmen nicht etwa am Verlauf des angestammten Geschäfts beteiligt
sind. So werden Umsatzbeteiligungen üblicherweise den
Handelsvertretern, nicht aber den Direktoren ausgerichtet.

Die Erfolgsbeteiligung der Geschäftsführer ist vielmehr in der einen
oder anderen Art an den Aktienverlauf geknüpft. Oft ist diese
Verknüpfung ganz direkt an einen möglichst hohen Kurs des Papiers
gehängt.

Erhalten die Vorstände beispielsweise Aktien-Optionen als Teil ihrer
Bezüge, dann bekommen sie damit das Recht, Firmenaktien zu einem
bestimmten Betrag zu kaufen. Je höher nun der Aktienkurs über diesem
Betrag liegt, desto höher dann auch der Profit des Direktors. Denn der
kann ja die zum (niedrigeren) Optionskurs erworbenen Aktien zum
(höheren) Börsenkurs sofort wieder verkaufen. (Auch hier gilt: Das
Geld ist gemacht, sobald man seine Aktien verkauft hat - vorher nicht.)

So etwa verzeichnet der eine oder andere - meist amerikanische -
Top-Manager hin und wieder einmal über solche Bezahlung in
Aktien-Optionen ein Jahreseinkommen von mehr als 100 Millionen Dollar.

Hier wird schon im Arbeitsvertrag ganz klar beziffert, dass der
"Erfolg" des Unternehmens nicht etwa die besonders erfolgreiche
Geschäftstätigkeit sondern eben der möglichst hohe Aktienkurs ist.

Ganz von sich selbst aus wird ein solcher Geschäftsführer danach
trachten, für hohe Aktienkurse zu sorgen. Denn umso höher ist sein
persönliches Einkommen.

Das alles geschieht nicht, weil die Firma etwas vom unmittelbaren
Geschäft zwischen Aktionär X und Y hätte. Vielmehr geht es eben
darum, dann bei der nächsten Ausgabe von neuen Aktien eine möglichst
hohe Notierung zu haben, die dann wirklich - und zwar heftig - die
Kasse klingeln lässt.

VIELE BEISPIELE

Auf diese Weise wird nun auch klar, wie es möglich sein kann, dass ein
Unternehmen Jahre und Jahre keinen Gewinn macht, ja eigentlich ausser
schönen Aussichten und positiven Erwartungen rein gar nicht
vorzuweisen hat, und trotzdem am Leben bleibt.

So etwa funktionierte der Neue Markt während seines jahrelangen
Höhenflugs.

Die High-Tech-Unternehmen, die oft wirklich nur die Hoffnung auf einen
Erfolg in der Zukunft hatten, lebten in dieser Zeit nicht von ihren
Produkten sondern vom Verkauf ihrer Aktien. Bekanntlich ging das so
weit, dass neu gegründete Firmen, die in wenigen Jahren an der Börse
irrsinnig aufgeblasen wurden, dann Traditionsunternehmen aufkauften -
und das wiederum mit eigenen Aktien zahlten.

Zu beobachten etwa beim AOL/Time Warner- oder beim
Vodafone/Mannesmann-Deal.

Als Investor in Aktien konnte man in dieser Zeit des Neuen Markts
wirklich schön Geld machen. Man musste nur zum richtigen Zeitpunkt
alles verkaufen und das angeschwollene Aktien-Vermögen zu Geld machen.
Also auch hier wieder: Die Kunst des Ausstiegs.

Wer meinte, die Börse wäre ein Einbahnstrasse nach oben und gegen
Ende des Booms noch einstieg, konnte auch in kurzer Zeit sein Geld
halbieren.

Aber so richtig reich wurden damals vor allem die Unternehmensgründer.
Man gründete quasi aus dem Nichts ein Unternehmen mit einem schönen
Business-Plan, das keinerlei Umsatz machte und nur Verluste
produzierte. Daneben setzte man eine gute Nachricht um die andere in
die Welt. Und schliesslich kam das IPO ("initial public offering"), der
Börsengang.

Das war nichts anderes als dass die bisherigen Eigentümer, die
Firmengründer, ihre Aktien verkauften. Damit wurden teilweise aus
Studienabbrechern innerhalb von zwei, drei Jahren Multimilliardäre.
Und das von ihnen geschaffene Geschäft brummte auch noch eine Weile
weiter, indem es immer mehr neue Aktien herausgab, die zu einem
Vielfachen ihres Nennwerts abgesetzt werden konnten.

Das alles hatte nicht so recht die wirtschaftliche Grundlage.

WAS TUN ALS ANLEGER?

Aber der wirtschaftliche Hintergrund ist beim Kursgewinn an der Börse
ja auch eher nachrangig.

In erster Linie wichtig ist vielmehr die Meinung der breiten
Oeffentlichkeit, die das Publikum der Börse bildet.

Falls dieses Publikum, das das an der Börse zirkulierende Kapital in
Händen hält, bereit ist zu glauben, dass die Aktien der Suchmaschine
in Kürze noch viel mehr wert sein werden, dann zieht der Kurs an. Ob
diese Suchmaschine je auch real greifbare Gewinne schreibt, ist für
die momentane Entwicklung unerheblich.

Das Publikum braucht auch gar nicht zu glauben, dass hier jemals
Gewinne geschrieben werden.

Entscheidend ist vielmehr der Glaube an die Aktie selbst - nicht an die
Firma, die diese Aktien ausgegeben hat.

Echten Gewinn durch den Kauf von Aktien machen somit in erster Linie
diejenigen, die das öffentliche Klima und die Stimmung im Publikum
richtig einschätzen. Denn sie können durch ihr zusätzliches Wissen
bestimmte Trends erkennen und für sich nutzen. (Häufig sind dies
Publikationsorgane, Marktbeobachter, Medien u.s.w.)

Ausserdem können echte Aktien-Kursgewinne auch noch von solchen
Investoren erzielt werden, die über genügend Geld verfügen, um die
Kursentwicklung selbst zu beeinflussen. Der jeweilige Kurs richtet sich
nach Angebot und Nachfrage. Ein solcher Investor - z.B. eine
Pensionskasse, ein Anlagefonds, ein Vermögensverwalter u.ä. - kann
nun bestimmte Titel ganz konkret ein- oder verkaufen und damit deren
Kurs alleine schon dadurch verändern.

Bei der Investition in Aktien sollte man sich also grundsätzlich an
Vorbilder wie diese zwei genannten anlehnen.


(*) Achim H. Pollert ist freier Journalist, Ghostwriter und
Fachautor mit Tätigkeitsschwerpunkt in der Schweiz.

Zum "Stichwort Kapitalanlage" sind von Achim H. Pollert bisher folgende
Schriften erschienen:

- Stichwort Kapitalanlage I: "Woher die Zinsen kommen..." (zum
Thema Zinsen)
- Stichwort Kapitalanlage II: "Das Nullsummenspiel..." (zum Thema
Börse)
- Stichwort Kapitalanlage III: "Die Geheimnisse der Bank (01)" (zum
Thema Bankgeheimnis)
- Stichwort Kapitalanlage IV: "Das eigene Dach über dem Kopf" (zum
Thema Eigenheim-Anlage)