Re: EÜR und Kassenbuch!
am 23.05.2006 22:36:07 von Eric Lorenz
Eric Lorenz schrieb:
> Hallo!
> Nur mal so als Hinweis:
> Bei einer Gewinnermittlung nach § 4 (3) EStG muss kein Kassenbuch
> geführt werden. Aufzeichnungen sind nach § 146 (5) AO lediglich so zu
> führen,das sie dem konkreten Besteuerungszweck genügen. Dies ist schon
> erfüllt,wenn sämtliche Ausgangsrechnungen chronologisch nach dem Tag des
> Geldeingangs abgegelegt werden.
Nachtrag:
Die Beschwerde ist unbegründet, weil die vom Beklagten und
Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) aufgeworfene Rechtsfrage, ob die
Ordnungsvorschrift des § 146 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977)
uneingeschränkt bei allen Unternehmern anwendbar ist, die Aufzeichnungen
nach § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu führen haben, und wenn ja,
in welcher Form sie diese zeitnah dokumentieren müssen, keine
grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. "Grundsätzliche Bedeutung" i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt
einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche
Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der
einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. wenn
die Beantwortung der Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der
Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen
Interesse liegt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. April 1999 I B 99/98,
BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung,
5. Aufl., § 115 Rz. 23, mit zahlreichen Nachweisen aus der
Rechtsprechung des BFH). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im
Streitfall klärungsfähig sein (Gräber/Ruban, a.a.O.). An der
Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage bereits durch die
Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen
Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung
dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, a.a.O., §
115 Rz. 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Eine Rechtsfrage ist auch
dann nicht klärungsbedürftig, wenn sich ihre Antwort ohne weiteres aus
dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die
Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das
Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist
(Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
2. Eine klärungsbedürftige Frage in diesem Sinne vermochte das FA nicht
aufzuwerfen.
Das Einkommensteuergesetz (EStG) und die AO 1977 enthalten entgegen der
Auffassung des FA keine Verpflichtung zur Führung eines Kassenbuchs für
die Überschussermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.
Insbesondere kann eine solche Verpflichtung nicht auf die Vorschrift des
§ 4 Abs. 3 EStG gestützt werden, da diese lediglich die Art der
Gewinnermittlung bestimmt (BFH-Urteil vom 11. August 1992 VII R 90/91,
BFH/NV 1993, 346). Aus ihr ergibt sich nur eine Verpflichtung zur
Führung eines Verzeichnisses über die Wirtschaftsgüter des nicht
abnutzbaren Anlagevermögens (§ 4 Abs. 3 Satz 5 EStG). Auch die §§ 145,
146 AO 1977 können eine dahin gehende Verpflichtung nicht begründen, da
die Anwendung dieser Vorschriften gerade eine ausdrückliche gesetzliche
Aufzeichnungsverpflichtung zur Voraussetzung hat (BFH-Urteil in BFH/NV
1993, 346).
Eine Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung ergibt sich jedoch auch für
Unternehmen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, aus § 22
UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
(UStDV). Zwar sind umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen keine
Aufzeichnungen "nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen" i.S. des §
140 AO 1977. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt
aber, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich
enthält oder sich eine solche Beschränkung aus der Natur der Sache
ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das
EStG (BFH-Urteil vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II
1984, 504; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. D 52).
Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind u.a. auch die vereinnahmten Entgelte
aufzuzeichnen. Nach § 63 Abs. 1 UStDV müssen die Aufzeichnungen so
beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer
angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des
Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten.
Eine Regelung, dass vereinnahmte Barentgelte gesondert in einem
Kassenbuch aufzuzeichnen sind, enthält weder § 22 UStG noch die UStDV.
Zwar sind bei den Aufzeichnungen nach § 22 UStG die §§ 145 und 146 AO
1977 zu beachten (Weber-Grellet in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., §
4 Rz. D 52). Bei der Einnahmenüberschussrechnung gibt es jedoch keine
Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird
sofort Privatvermögen (BFH-Urteil vom 22. Februar 1973 IV R 69/69, BFHE
109, 30, BStBl II 1973, 480). Die Feststellung eines Kassenbestands, für
den ein Kassenbuch bei einer Gewinnermittlung nach dem Bestandsvergleich
aufgrund ordnungsgemäßer Buchführung erforderlich ist, kommt nicht in
Betracht. Demzufolge hat der BFH erkannt, dass Steuerpflichtige, die
ihren Gewinn zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, nicht
verpflichtet sind, ein Kassenbuch zu führen (BFH-Urteil vom 10. März
1983 IV R 236/81, juris Nr: STRE835031760; so auch Cöster in
Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 146 Rz. 3 i.V.m. § 145 Rz. 4;
Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4 Rz. D 57;
Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 4 Rz. 372; a.A.
Sauer in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 146 AO 1977 Rz.
36). Vielmehr müssen sie nach § 146 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 AO 1977 die
Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen (§ 22 UStG)
vorzunehmen sind, lediglich so führen, dass sie dem konkreten
Besteuerungszweck genügen. Sie können auch in der geordneten Ablage von
Belegen bestehen (§ 146 Abs. 5 Satz 1 AO 1977). Diese Anforderung ist
erfüllt, wenn Steuerpflichtige --wie im Streitfall die Klägerin und
Beschwerdegegnerin (Klägerin)-- sämtliche Ausgangsrechnungen
chronologisch nach dem Tag des Geldeingangs ablegen und in
handschriftliche Listen eintragen, auch wenn nur auf den Rechnungen,
nicht aber in den angefertigten Listen zwischen Geldeingang auf dem
Bankkonto oder Barzahlung unterschieden wurde.
3. Dass über § 22 UStG nicht ein Steuerpflichtiger, der den Gewinn nach
§ 4 Abs. 3 EStG ermittelt, zum Führen eines Kassenbuchs verpflichtet
ist, ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Durch die
Umsatzsteuer werden Leistungsabgaben eines Unternehmers und sein
Eigenverbrauch im Erhebungsgebiet besteuert. Vorleistungen anderer
Unternehmer und Einfuhren, die in den unternehmerischen Bereich
eingehen, können zu einer Steuerentlastung durch Gewährung des
Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG führen (Geist in
Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz, § 22 Rz. 4). Die
geschuldete Umsatzsteuer, die hiervon abziehbare Vorsteuer und die
letztlich vom Unternehmer an das FA zu entrichtende Umsatzsteuer könnten
ohne Aufzeichnung aller umsatzsteuerrechtlich relevanter Vorgänge
innerhalb des Unternehmens nicht ermittelt werden. Deshalb hat der
Gesetzgeber den Unternehmer in § 22 UStG verpflichtet, Aufzeichnungen zu
fertigen. Nach diesem Gesetzeszweck ist die Frage, ob Leistungsabgaben
des Unternehmers bzw. Vorleistungen anderer Unternehmer bar oder unbar
vergütet werden, für die Umsatzsteuer ohne Bedeutung. Entscheidend ist
lediglich, dass solche Vorgänge vollständig erfasst werden. Hierzu ist
das Führen eines Kassenbuchs nicht geboten. Eine Belegsammlung, wie sie
die Klägerin vorgelegt hat, kann ebenso wie Kassenaufzeichnungen
nachgeprüft werden. Auch aus den Ausgangsrechnungen lassen sich Inhalt
des Geschäfts, Name, Firma und Adresse des Vertragspartners ersehen.
4. Aus den vom FA angeführten Stimmen in der Literatur (Flückinger in
Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, § 22 Rz. 68; Rothenberger in
Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 22 Rz. 10; Heidner in
Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, § 22 Rz. 5; Wagner in Sölch/Ringleb,
Umsatzsteuergesetz, § 22 Rz. 48) ergibt sich nicht, dass
Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, wegen
der Aufzeichnungspflicht nach § 22 UStG ein Kassenbuch führen müssen.
Re: EÜR und Kassenbuch!
am 24.05.2006 20:13:41 von Eric Lorenz
Sven Gottwald schrieb:
> * Quoting Eric Lorenz <>:
> [Kassenbuch bei EÜR]
>> Nachtrag:
>>
>> Die Beschwerde ist unbegründet, weil die vom Beklagten und
>
> Ich finde den BFH-Beschluß nirgends. Hättest Du vielleicht noch ein
> Aktenzeichung und/oder Fundstelle?
>
Hallo!
www.iww.de
Abrufnummer: 061257
Vorschrift(en):
AO 1977 § 140, AO 1977 § 145, AO 1977 § 146, AO 1977 § 146 Abs. 1 Satz
2, AO 1977 § 146 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, UStG § 15, UStG § 22, UStG §
22 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, EStG § 4 Abs. 3, UStDV §§ 63
bis 68, UStDV § 63 Abs. 1
Gericht:
BFH Beschluss vom:
16.02.2006
Aktenzeichen:
X B 57/05
Rechtsgebiet(e):
AO 1977, UStG, FGO, EStG, UStDV
Eric