Re: kostenlose Rechtsberatung verboten?

Re: kostenlose Rechtsberatung verboten?

am 10.07.2006 11:44:32 von brueni.nospam

Martin Dietrich schrieb:

>> [...]
>>>> Richtig ist zwar, daß eine einzelfallunabhängige
>>>> Vergütungsvereinbarung i.H.v. 0 Euro berufsrechtswidrig ist.
>>> Na ja, da kann man ja den symbolischen Satz in Höhe von 1 Euro
>>> nehmen :-) wie es die Bundesregierung und Gewerkschaft ja auch schon
>>> praktizierte.
>>>
>>>> Zivilrechtlich gültig bleibt sie nach der Rechtsprechung im übrigen
>>>> allemal.
>>> na endlich einmal der das ganze im Klartext darstellen kann.
>> Die zivilrechtliche Gültigkeit ist zu bezweifeln, weil die
>> Vereinbarung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt bzw. man es als
>> sittenwidrig einstuft.
>
> Begründung der Sittenwidrigkeit?

Darüber müsste man im konkreten Einzelfall nachdenken, weil es unter
Umständen darauf ankommt, ob es neben dem Verstoß gegen das
Berufsrecht auf die weiteren Umstände (des Einzelfalls) ankommt.
Oder man nimmt an, die Sittenwidrigkeit könne sich allein aus dem
Verstoß gegen das Berufsrecht ergeben.

(Ich muß mal ausholen, denn ich weiß nicht wie groß Deine
Vorkenntnissse sind:)
Das setzt natürlich voraus, dass man davon ausgeht, dass
Verhaltensanforderungen an den Rechtsanwalt aus dem
Standes-/Berufsrecht bei der Anwendung von Zivilrecht beachtlich sind.
Man kann da auch anderer Ansicht sein.

Da die Vorschriften der BRAO auch der ordentlichen Rechtspflege
dienen, kann man fordern, ein effektives Verbot erfordere nicht nur
Sanktionen des Standes-/Berufsrechts, sondern u.a. auch des
Zivilrechts. Gerichte prüfen die Standespflichten durchaus oft im
Rahmen des § 138 I BGB, sehen also die Sittenordnung als Quelle dieser
Pflichten an.

Es dürfte aber sachgerechter sein, die zivilrechtliche Beachtlichkeit
des Standes-/Berufsrechts der RA primär aus § 134 BGB herzuleiten.
(Standes-)Regeln der Berufsausübung, nicht nur die BRAO, die ja eh ein
formelles Gesetz ist, die den Anforderungen der jüngeren
bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung genügen, stellen echte
Rechtsregeln dar, andernfalls könnten sie keine Regelungen im Sinne
des Art. 12 I 2 GG sein.

Das Problem liegt allerdings (auch/vor allem) auf der Rechtsfolgenseite.

Wäre die betreffenden Vereinbarung nichtig, wäre das Verbot der
Gebührenunterschreitung umgangen, wenn und soweit man die zu niedrigen
Gebühren für den Mandanten über einen (Schadensersatz-)Anspruch gegen
den Anwalt oder eine Berufung auf Treu und Glauben doch noch retten
könnte. Der Bundesgerichtshof hat es auch schon mal von der
Schutzbedürftigkeit des betroffenen Mandanten abhängig gemacht, ob ein
unter Verstoß gegen Standes-/Berufsrecht zustande gekommenes
Rechtsgeschäft nichtig ist oder eben nicht.
Da der Mandant aber wissen muß, daß die anwaltliche Tätigkeit kostet,
muß er sich wohl an der gesetzlichen Vergütung festhalten lassen.
Insofern ist er nur bedingt schützenswert.
Der Rechtsanwalt, der unlauter zu niedrige/gar keine Gebühren
vereinbart, sollte, je nach Umständen, nach dem Berufsrecht bestraft
werden. Wobei man damit vielleicht Bauchschmerzen hat, wenn der
Rechtsanwalt wirklich uneigennützig gehandelt hat.

Deshalb kann bei der Gebührenunterschreitung vor allem sehr
verschiedene Ansichten zur Rechtsfolge der Nichtigkeit der relevanten
Vereinbarung haben.

>
>> Aber es mag so sein, Rechtsprechung gibt zu einem konkreten Fall mit
>> diesem Sachverhalt allerdings nicht.
>
> siehste, damit erklärt sich doch einiges.

Das mag unterschiedliche Gründe haben. Wohl auch, dass die Fälle mit
nachweisbarer Unentgeltlichkeit sehr selten sind und vor allem ein
Kläger noch seltener zu finden ist.

Jedenfalls hat nicht unbedingt den Grund, dass die Rechtsprechung dies
unbedingt als unbedenklich einstuft.

[...]

>> Das berufsrechtliche Verbot mit seinen Ausnahmen ergibt sich übrigens
>> schon eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift.
>> Im übrigen erschließt sich dies auch aus der Gesetzesbegrüdung, denn
>> diese Bestimmung ist eingeführt worden, um den Preiswettbewerb um
>> Mandate und die mittelbare Vereinbarung von Erfolgshonoraren in
>> gerichtlichen Verfahren zu verhindern. Ob das noch zeitgemäß ist,
>> lasse ich mal dahingestellt.
>
> wenn es vor Gericht geht, sehe ich einen klaren Sinn einer Gebührenordnung.
> Wir reden hier aber "nur" von *Rechtsberatung*

Ja, die politische Diskussion geht auch nur um die außergerichtliche
Rechtsberatung. Die gängigen Argumente werden vor allem in den
Stellungnahmen der BRAK (Bundesrechtsanwaltskammer) schön zusammengefasst.


>
>> Wenn es darauf ankommt, würde ich hier niemanden zu vertrauen, nicht
>> mal mir selbst, aber schon gar nicht Herrn Becker.
>
> da fehlt die Begründung zur Aussage

Nun, es gibt verschiedene Gründe:
Hier kann jeder mitreden, man kennt nicht einmal die formale
Qualifikation des jeweiligen Autors.
Auf der einen Seite ist das schön, denn es schult, die alltäglichen
Fragen der "Laien" zu durchdenken. Auf der anderen Seite ist nicht nur
die inhaltliche Qualität oft sehr mager, auch die Art der Diskussion
ist von vielen Dingen geprägt, die außerhalb des reinen Interesses an
der Sache liegen. Oft werden nur Behauptungen ins Blaue hinein
aufgestellt, die nicht belegt werden und oft nicht vertretbar sind.
Das führt so weit, dass bereits offensichtlich der Gesetzestext
ignoriert wird.
Daneben wird sehr viel mit (nicht immer erkennbaren) Mutmaßungen und
Unterstellungen am Sachverhalt gearbeitet, d.h. es gibt Aussagen ohne
genaue Kenntnis des Sachverhalts bzw. es gibt eine
Sachverhaltsquetsche, d.h. der Sachverhalt wird so hingebogen, dass
die eigene Aussage möglich ist.
Die Unsachlichkeit vieler Beiträge, die kein verwertbares Ergebnis
bringen, wird Dir nicht entgangen sein, oder?

Ich selber schaue hier oft nur kurz rein, wenn ich gerade eine Pause
von der eigenen Arbeit mache. Dann fehlt mir oft die Zeit, die Lust
und vor allem die Konzentration, einen Text sprachlich auszuarbeiten
und juristisch durch Recherche abzusichern. Manchmal bin ich auch
einfach zu dumm.
Die Folge: Rechtschreibfehler und verkrüppelte oder mißverständliche
Sätze, juristische Fehler. Ich werde aber versuchen, diese Fehler zu
minimieren oder mir meine Antworten nur denken. ;-)

Herr Becker ist scheinbar gekränkt sowie verärgert. Er gibt sich
erstaunlich viel Mühe, mich mit Unterstellungen zu meinen Aussagen und
Sachverhaltsquetschen zu widerlegen. Das interessiert mich am
wenigsten, aber leider steht die sprachliche Qualität seiner Beiträge
diametral entgegen zu der fachlichen Qualität. Liest man diese und
glaubt den schönen Worten, wird man oft unweigerlich in die Irre
geführt. Dabei bezweifele ich gar nicht mal unbedingt ein gewisses Maß
an Fachwissen, aber ich bemerke erhebliche Mängel in der Methodik der
Anwendung.


Christoph