Re: LT Lang & Schwarz 90,68 91,40 11.10.07 08:52 3109
am 11.10.2007 13:25:46 von PokerVerein
On 11 Okt., 09:12, maqqusz <> wrote:
> Moin,
>
> Was genau ist LT Lang & Schwarz eigentlich für ein Handelsplatz.
> Irgendwas scheint er mit Livetrading zu tun zu haben, aber das passt
> irgendwie alles nicht zusammen. Beispielsweise zeigt Comdirect bei
> einem Kurs folgendes an: LT Lang & Schwarz 90,68 91,40 11.10.07 08:52
> 3109
> Der Umsatz bzw. die gehandelten Stück werden mit 0 angegeben. Aus
> privater Sicht gelange ich immer mehr zu der Ansicht, dass der "Kurs"
> den dieser Börsenplatz ausgibt, reine Verarschung ist. Die konkrete
> Aktie um die es sich handelt bei meinem Beispiel ist eine Aktie mit
> geringem Umsatz. Sprich in Frankfurt beispielsweise gehen oft (sofern
> es keine Kaufempfehlungen gab) weniger als 100 Stück "über den Tisch".
>
> Ich frage mich nun, woher diese hohe Zahl 3109 schon um 8:52 Uhr
> kommt. Ich würde vermuten, dass hier jedes Mal wenn irgeineiner
> irgendeine Order aufgibt, egal was für eine, ein neuer Kurs "gestellt"
> wird.
>
> Dann nochwas: Wenn man sich bei Comdirect den Kursverlauf anguckt,
> geht der manchmal konsistent zum Briefpreis. In seltenen Fällen bricht
> der dann aber von dieser Regel weg. Ich vermute mal das sind dann die
> Order, die irgendwo in der Mitte zwischen Brief und Geld liegen und
> ausgeführt werden.
>
> Das ist doch irgendwie Gaga... Wieso stellt man diese Kurse überhaupt
> anstatt einfach drei Kursverläufe anzuzeigen: Brief, Geld und
> zustandegekommene Kurse?
>
> BTW: Gibt es eine Internetseite, wo man zu normalen Handelsplätzen wie
> Frankfurt, Xetra o.Ä. neben dem normalen Kurs () auch Brief und
> Geldkurse im zeitlichen Verlauf anzeigen lassen kann? Den Kurs den man
> anzeigen lassen kann ist ja immer nur der Kurs mit zustandegekommenen
> Transaktionen im Gegensastz zu dem komischen LT Lang & Schwarz.
>
> Gruß,
>
> Markus
Der Roulette Gambler Benno Winkel
Eine SPIEGEL-Titel-Story (Ausgabe 40 / 1954). Veröffentlichung in
Gambling-Magazin Australia mit Genehmigung des SPIEGEL-Verlages
Gewinnen ist ein Beruf
Eine Welle von Ausgelassenheit schwappte am Abend des 14.September
durch den eleganten Salon des Hamburger Hotels ,,Atlantic", nachdem die
Innenaufnahmen für das Filmlustspiel ,,Ingrid - die Geschichte eines
Photomodells" fertiggedreht worden waren.
Ein Dutzend Filmgirls - Nachwuchsschauspielerinnen und Tänzerinnen -
quirlte munter in den Sektgläsern, die immer wieder neu gefüllt
wurden. Gastgeber war ein junger Krösus, der selbst gern Photomodell
mimt. Er zog eine hübsche schwarzhaarige Statistin auf den Schoß und
küßte, als Araberscheich verkleidet, dem 18jährigen portugiesischen
Pin-up-Girl Hannita Hallan den linken Zeigefinger. Ein Bildreporter
mußte in zweihundert Aufnahmen die neckischsten Posen festhalten.
Der Spleen, sich im Glanze hübscher Girls zu sonnen oder sich mit
Löwenbabies und Eisbären photographieren zu lassen, gehört zum
Zeitvertreib des Gastgebers. Er ist kein Adonis und kein echter Bel
ami, aber er rühmt sich seit Monaten eines Vermögens von eineinhalb
Millionen Mark. Außer vielen Freundinnen besitzt er vier Autos und
einen Schrank voller Anzüge von letztem modischen Schnitt, darunter
ein Modell, das auf dem deutschen Schneidertag am 5. September mit
einer Goldmedaille preisgekrönt worden ist.
Unter seinem spitzen Kinn kräuselte sich ein haariges Attribut, das er
als ,,Assyrerbart" bezeichnet. Erst vor kurzer Zeit gab dieser Golden
boy seinen schlichten bürgerlichen Namen Benno Eitel Winkel der
Öffentlichkeit bekannt. Er nennt sich, wenn man nach seinem Beruf
fragt, ,,Kaufmann", lebt aber - das wurde inzwischen gerichtsnotorisch
- seit Jahren vom Glücksspiel.
Das Internationale Institut für Rouletteforschung hat ihm den
Ehrennamen ,,Bezwinger der Spielbanken und erfolgreichster Spieler
unseres Jahrhunderts" verliehen. Er selbst läßt sich am liebsten
,,Roulette-König" titulieren.
Noch vor einem Jahr entrüstete sich ein Hamburger Richter darüber, da=
ß
ein ausgewachsener Mann sich mit einer ,,so brotlosen Kunst durchs
Leben schlägt". Schon damals war Benno Winkel elegant gekleidet. Zur
Gerichtsverhandlung hatte er auf Anraten seines Rechtsanwaltes sogar
seine Krawatte geknotet, um seriöser zu erscheinen. Sonst läßt er sie
in extravaganter Art knotenlos aus dem Hemdkragen baumeln.
Winkel war damals des versuchten Betruges angeklagt, weil er auf einem
Waschzettel mit der Überschrift ,,Es ist erreicht" ein sogenanntes
Ernährungssystem zum Kaufpreis von 50 Mark (zahlbar in zwei Raten)
angeboten hatte. Dieses System sollte laut Waschzettel geeignet sein,
,,allen interessierten Roulette- Freunden mit starken Nerven und guter
Konzentrationskraft" bei einem Betriebskapital von nur 120 Mark ,,eine
ständige Nebeneinnahme" zu verschaffen.
Winkel garantierte sogar: ,,Ich bin bereit, Ihnen die Anzahlung von 120
Mark und eine Aufwandsentschädigung von 20 Mark - also insgesamt 165
Mark - zurückzuerstatten, falls Sie mir nachweisen, daß Ihr
Spielkapital verlorengegangen ist oder auch nur verlorengehen kann."
Der Richter wußte nicht, daß einer seiner pensionierten Kollegen im
Casino Travemünde sich fast täglich mit einem solchen
,,Ernährungssystem" eine kleine Nebeneinnahme verschafft. Die
Verlustchancen sind dabei ebenso gering wie die Gewinne, da der
,,Ernährungsspieler" nur mit kleinsten Einsätzen operiert.
Winkel verteidigte sich sehr geschickt mit Kostproben der
einschlägigen wissenschaftlichen Literatur über
Wahrscheinlichkeitsrechnungen und Gesetze des Zufalls.Als
Gerichtssachverständiger hatte sich der Hamburger Mathematikprofessor
Dr. Lothar Collatz zur Verfügung gestellt. Er verwarf souverän Winkels
autodidaktische System-Thesen unter Berufung auf den empirischen
Grundsatz des verstorbenen Professors für Aerodynamik und angewandte
Mathematik an der Harvard-Universität in Boston, Richard von Mises:
,,Wir arbeiten eben mit der streng genommen nicht überprüfbaren Annahme
der 'Unmöglichkeit eines Spielsystems', weil sie durch die ungezählten
Versuche unglücklicher Systemspieler nahegelegt wird." (Winkel
verschwieg aus opportuner Zurückhaltung, daß er damals über 100 000
Mark durch Systemspielen ,,verdient" hatte.)
Schließlich wurde Winkel freigesprochen, nachdem er zum Beweis der
Behauptung, daß er kein Betrüger sei, sondern ernsthaft jahrelang
gearbeitet habe, mit meterlangen Statistiken und Kurvenblättern
angerückt war. Dem realistischen Professor Coollatz schwindelte: ,,Es
ist schade um die Zeit, die darauf verwendet worden ist." Das reizte
Winkel im gekränkten Stolz des Fanatikers erst recht zum Widerspruch:
,,Bei mir ist die Zeit nicht zu schade, sondern dies ist der Sinn
meiner Zeit."
Den Keim zu dieser merkwürdigen Lebensauffassung hat vor vierzehn
Jahren ein Studienrat am Hamburger Wilhelm-Gymnasium gelegt. Er
traktierte seine Oberschüler nicht nur mit Rechenschieber und
Logarithmentafeln, sondern auch mit der abseits vom eigentlichen
Unterrichtspensum liegenden Kombinatorik, der Grundlage der
Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Die meisten Schüler konnten dabei kaum folgen. Nur der mathematisch
hochbegabte Rektorsohn Benno Winkel begriff dieses Jonglieren mit
Zahlen und arithmetischen Reihen. Der Studienrat hatte seine Freude
daran, aus dem blassen Filius des 1933 abgesetzten Volksschulrektors
Max Winkel aus Geierswalde in Ostpreußen ein kombinatorisches Talent
zu machen.
Dieser Mathematik-Sport nahm ein jähes Ende, als das
Wehrbezirkskommando dem Benno Winkel zum 30.November 1942 einen
Gestellungsbefehl in die elterliche Wohnung schickte. Der Kommiß
konnte allerdings den schmächtigen Jungen nicht verdauen. Wegen akuten
Magenleidens wurde der verhinderte Rekrut bei allen weiteren
Nachmusterungen für ,,zeitlich untauglich" befunden. Er benutzte diese
Wehrdienst-Untauglichkeit nicht nur zu medizinischen Kuren, sondern
stand mitten im totalen Krieg,
ls seine Schulkameraden an der Ostfront die ,,Stalinorgeln" pfeifen
hörten, mit hektisch geröteten Wangen am kreisenden Roulette der
Spielkasinos. Auch während des totalen Krieges blieben die
Spielkasinos Baden-Baden, Zoppot und Baden bei Wien geöffnet.
1943 machte Winkel im Casino Baden bei Wien mit kleinsten Einsätzen
sein erstes Spiel. Er hatte sich inzwischen Einblick in sogenannte
klassische Roulette-Systeme verschafft, deren Zahl über tausend liegt.
1944 pickte die Gestapo den jungen Hasardeur auf und sperrte ihn vier
Wochen lang in ein festes Haus. Darauf arbeitete er einige Monate als
kaufmännischer Angestellter. Im Wirbel des Zusammenbruchs landete
Winkel schließlich wieder in Hamburg und betätigte sich hier in
Nachkriegsgeschäften. 1950 wurde er Besitzer eines Ecart=E9-Clubs und
Teilhaber an zwei ähnlichen Unternehmen , gab aber dieses Gewerbe bald
wieder auf. Dann brütete er monatelang in seinem Studien-Kabinett -
einer Art Miniatur-Museum des Roulettespiels - über seinen eigenen
Systemen; das heißt, er wandelte ab und versuchte zu perfektionieren,
was andere vor ihm in Hunderten von Schwarten fixiert haben. Dabei
stieß er u.a. auch auf sein ,,Ernährungssystem", über das sich die
Juristen wunderten.
Winkel selbst spielte ab 1952 bereits mit ,,längerem Atem" und setzte
seine ganze Rücklage von 5000 Mark aufs Spiel. Die Gewinne häuften
sich, je länger er durchhielt. Allerdings verlor er auch wieder,
einmal 150 000 Mark in einer Woche. Er will dann weiter an seinen
Systemen (,,Ich habe nicht nur eins, sondern jongliere mit mehreren")
gefeilt haben und führt seine große Erfolgsserie ab Dezember
vergangenen Jahres auf diese Filigranarbeit zurück. Er spielte in
Dutzenden von Casinos, einschließlich Monte Carlo, wo er nur 12 000
Mark gewann.
Winkel verfügt über einen Stapel von fünfzig Jahreseintrittskarten,
für die er 5000 Mark bezahlte. Die meisten Gewinne aber heimste er im
Casino Travemünde ein, und zwar in mehreren Etappen insgesamt 700 000
Mark.
Vor jedem geplanten Großangriff läßt Winkel erst einmal sämtliche
Coups (Treffer) der vergangenen Wochen notieren. Allein in Travemünde
,,arbeiten" für ihn acht Beobachter für einen Tageslohn von zwanzig
Mark pro Person. Aus den von ihnen notierten Zahlenreihen (sogenannten
Permanenzen) zieht er dann das Fazit für seinen neuen Angriff. Er
stellt ganze Kolonnen von Zahlen zusammen, die nach den geläufigen
Wahrscheinlichkeitsgesetzen eine große Anzahl von Treffern enthalten
sollen.
Amateure, die mit wenigen Zügen viel gewinnen wollen und deshalb ihre
Chips genau so placieren wie Winkel, sind oft enttäuscht. Sagt Winkel:
,,Jeder professionelle Spieler weiß, daß er sich nur wellenförmig
vorspielen kann. Man muß mitunter einen langen Atem haben, um wieder
auf den Gipfel zu kommen." Deshalb bringt Winkel mindestens 50 000
Mark an den Spieltisch mit.
Die Spannung in dem weißen Casino-Palast an der Ostsee stieg auf den
Siedepunkt, als auch noch ein zweiter Meister des Systemspiels, der
Wiener Buchmacher Erich Puch, 43, mit seiner Gruppe über die
Spieltische von Travemünde herfiel. Puch läßt hauptsächlich seine
Ehefrau und seine schmuckbehängte schwarzhaarige Assistentin Hildgard
Hübner, 23, die am Gewinn beteiligt ist, am grünen Zahlenteppich
,,arbeiten". Sie setzten stur jeden Tag die Zahlenreihe, die er ihnen
mittags auf den einen Zettel in die Hand drückt. Puch selbst, den die
Atmosphäre des Spielsaals aufregt (,,Das Spiel ist eine eigene Macht,
die das Denken vernebelt"), bleibt im Hintergrund oder sieht zur
Ablenkung Filme an. Seiner Assistentin ist vertraglich jeder Umgang
mit Männern untersagt, damit das ,,Betriebsgeheimnis gewahrt" bleibt.
Die Folgen des systematischen ,,Bandenspiels" zeigten sich sehr bald:
Die Spielbank Travemünde hatte von Januar bis Juli etwa 1 250 000 Mark
weniger Brutto-Einnahmen als während der gleichen Monate im Vorjahr.
Diese Summe haben die beiden organisierten Spielsyndikate weggetragen.
Nach dieser Bilanz unterbreitete der 31jährige Winkel dem doppelt so
alten Casino-Direktor Henri Neid Anfang August das Angebot: Er, der
Roulette-König, werde sofort mit seinem ganzen Mitarbeiterstab aus
Travemünde abrücken und niemals wiederkommen, wenn die Bank ihm eine
monatliche Leibrente von 50 000 Mark aussetze und ihn außerdem mit
etwa zehn Prozent am Jahresgewinn beteilige.
Direktor Neid strich seinen wohlgepflegten Bart und sagte nur: ,,Das
ist wohl ein Witz." Neid, der alle Schliche des Roulettespiels seit
seiner Jugend kennt, hält an der Version fest, Winkel sei nichts als
ein raffinierter ,,Bandenspieler, der eben Glück gehabt hat". Darauf
kündigte Winkel eine neue Offensive gegen den weißen Spielbank-Palast
an der Ostsee an, die jetzt beginnen soll.
Die Hartnäckigkeit, mit der er die Travemünder Spieltische belagert,
hat tiefere Gründe. Er möchte in erster Linie eine alte Rechnung mit
Henri Neid aus den Jahren 1948/49 begleichen. Damals wurden in der
Bundesrepublik die ersten Spielbanken eröffnet. Der junge
Nachkriegskaufmann (,,Ich machte Export- und Importgeschäfte auf eigene
Rechnung") hatte sich an eine Finanzgruppe gehängt, die in Travemünde
ein Casino gründen wollte. Doch wurde seine Gruppe über Nacht ,,von
Leuten aus Belgien" ausmanövriert.
Mit diesen Reminiszenzen rührt der Roulette-Millionär an Vorgänge,
die in dicken Faszikeln der Gerichte in Hamburg, Lübeck und Kiel
aktenkundig sind. Alle Entwicklungswege der Spielbank Travemünde
führen zurück in die Landschaft am Hohen Venn, jenseits der deutschen
Landesgrenze. Von dort stammen die beiden Granden des Casinos:
Hauptgesellschafter Isidore Prosmans, der Geldmann, und Henri Neid,
der Fachmann.
er heute 62jährige Neid hat die prickelnde Atmosphäre des Glückspiels
schon als Schuljunge in sich aufgenommen, wenn die Kavalkade der
Spieler in eleganten Landauern durch seinen Heimatort Moresnet
brauste, und sich in dem einzigen erlaubten Casino weit und breit -
dicht in der Nähe des väterlichen Kramladens - an die Spieltische
setzte. Dann drückte sich der kleine Ladenstift die Nase am
Casinofenster platt und wünschte sich, ein reicher Mann zu werden,
statt lebenslänglich Petroleum und Heringslake im väterlichen Laden zu
riechen. Das damals so stark frequentierte Casino lag im
merkwürdigsten Zipfel Westeueropas: in der Enklave der Vergessenheit
,,Neutral-Moresnet". Dieser etwa 360 Hektar große Zipfel zwischen
Belgien und Deutschland war bei der Grenzziehung nach dem Wiener
Kongreß 1814/15 durch einen Vermessungsfehler außer acht
eraten. Nachdem das Versehen bemerkt worden war, einigten sich die
Anrainer, das Gebiet als neutral zu respektieren.
Mit dem ersten Weltkrieg ging auch die Neutralität von Moresnet zu
Ende. Das Spielcasino hatten schon vorher preußische Gendarmen
geschlossen. Moresnet wurde von Belgien einkassiert. Henri Neid
optierte zwar für Belgien, suchte aber sein Glück hauptsächlich im
deutschen Aachen und später in Saarbrücken, wo er Kaffeehäuser
aufmachte.
Als in den zwanziger Jahren Moresnet wieder Hasard gespielt werden
durfte, zur Belebung des Fremdenverkehrs, gründete Neid - zusammen mit
einem biederen Bäckermeister - den ,,Union-Club". 1930 hatte er bereits
genug Geld beisammen, um auf eigene Faust ein kleines Spielcasino in
Chaudfontaine bei Lüttich zu eröffnen. Nach dem deutschen Einmarsch
1940 ließ er sich dann von dem deutschen Oberfeldkommandanten in
Lüttich, General Keim, die Konzession für das luxuriöse Casino in Spa
erteilen. Erst kurz vorher hatte Neid den blonden Mannequin Hedwig
Mackowiak, ehemalige Schönheitskönigin von 1928 aus Elberfeld,
geheiratet.
Spa entwickelte sich zum Dorado der belgischen Lebewelt. Der
Oberfeldkommandant genehmigte Neid sogar eine Omnibuslinie, damit die
Geldleute, die sich an Wehrmachtslieferungen und
Lebensmittelschiebungen bereichert hatten, bequem an die
Roulettetische gelangen konnten. ,,In Spa wurde damals sagenhaft hoch
gespielt", weiß General Keims früherer Dolmetscher. ,,Die dicksten
Brieftaschen schmolzen dahin. Neids Küche und Keller boten auch noch
1944 den reichen Gourmets exquisite Leckerbissen. Die Gestapochefs
Graf und Lücke gingen bei Neid ein und aus." Als die deutschen Truppen
abgezogen, hatte Neid ein stattliches Vermögen angesammelt, das ihm
die nationalistischen Resistenzler der ,,Arm=E9e blanche" mißgönnten.
obwohl Neid sich ihrer auch bisweilen wohlwollend erinnert hatte. Eine
belgische Zeitung schrieb damals: ,,Neid ist der Typ des Opportunisten,
sein Vaterland ist das Land, in dem er das meiste Geld verdienen
kann." Nach einer belgischen Aufrechnung hatte Neid während des
Krieges einen Vermögenszuwachs im Werte von rund einer Million Dollar
zu verzeichnen gehabt.
Die Amerikaner fühlten sich nach 1945 in der Etappe von Spa ebenso
wohl wie ihre deutschen Vorgänger. Aber das Casino war tot. Neid saß
achtzehn Monate in einem Internierungslager, bis ein stämmiger CIC-
Offizier sich für ihn einsetzte. Dieser geschäftstüchtige Funktionär
des amerikanischen Geheimdienstes, Robert Prince aus Ohio,
interessierte sich allerdings weniger für Neid persönlich als für
dessen Sekt- und Kognakvorräte und Neids Schwägerin Elisabeth
Mackowiak. Schließlich heiratete CIC-Prince die aus Frankfurt
evakuierte Dame, bevor er nach Deutschland versetzt wurde und später
eine Schlüsselposition bei einer Betreuungsstelle für ,,Displaced
persons" in Hamburg erklomm.
Es war die Zeit der Spielbankgründungen. In Bad Neuenahr hatte sich
bereits am 15. Dezember 1948 die Roulettescheibe zum erstenmal
gedreht. Auch in Norddeutschland suchten die verschiedensten
Interessengruppen (darunter Benno Winkel innerhalb einer Finanzgruppe
,,Keller-Berger") bei der schleswig-holsteinischen Landesregierung um
eine Spielbank-Konzession nach. In Führung lag der Pächter des
Kurhauses im Sol- und Moorbad Segeberg, Werner Lang. Es fehlten ihm
aber finanzkräftige Hintermänner.
Da interessierte eine mit Lang bekannte Modeschöpferin aus Brüssel,
die über so gute internationale Beziehungen verfügte, daß man ihr
schon im ersten Weltkrieg Kontakte =E0 la Mata Hari nachgesagt hatte,
einen ihrer reichsten Bekannten, den belgischen Industriellen Isidore
Lucien Victor Prosmans, 42, für dieses Projekt.
uch Neids Schwager Prince hatte inzwischen bei Casino-Planer Lang
vorgefühlt. Der belgische Millionär Prosmans und der nicht minder
geschäftstüchtige Neid-Schwager erkannten sehr bald: Das verträumte
Segeberg entsprach nicht ihrem Plan, im Norden ein feudales Ersatz-
Casino für das verlorengegangene Zoppot zu schaffen. Sie fanden das
Ostseebad Travemünde viel attraktiver. Dort asino-Planer Lang (mit
guter Querverbindungen nach Kiel) wurde umgestimmt, nachdem er als
Gesellschafter in die neu zu gründende Travemünder Spielcasino-
Betriebs-GmbH. aufgenommen werde, ohne direkt eigenes Kapital
einzubringen.
Für die Vergabe der Konzession war das Landesinnenministerium (damals
unter der Leitung des SPD-Genossen Käber) zuständig. Als die
Verhandlungen mit den Vertretern der Landesregierung endlich
erfolgreich abgeschlossen worden waren, hatten sich die von
Kurhausverwalter Lang vorgestreckten Spesen - für diverse Bewirtungen
- auf 24 000 Mark angesummt.
Außer Isidore Prosmans waren inzwischen noch einige finanzkräftige
Interessenten gefunden worden, die der Gründungs-GmbH beitraten. Aber
noch fehlte der eigentliche Experte - ein neuer Francois Blanc, der
durch langjährige Erfahrungen in dieser gewinnbringenden Branche die
Garantie dafür bot, daß Travemünde das ,,Monte Carlo des Nordens"
werden würde. Es war für den belgischen Millionär Prosmans wie für =
den
ebenfalls Geldchancen witternden Amerikaner Mr. Prince
selbstverständlich, daß dieser Experte nur Henri Neid heißen konnte.
hatte sich schon einmal - bis zum Verbot 1872 - ein munterer
Spielbetrieb entfaltet.
An einem grauen Januartag 1949 traf denn auch der Spielbank-Experte
Neid, leicht mitgenommen und argwöhnisch, in Hamburg ein. Er wußte
nicht einmal, wo dieses Travemünde, für das man ihn in Aussicht
genommen hatte, liegt. Außerdem bedrückte ihn sehr, daß er sich
irregulär in Deutschland aufhalten mußte, denn gegen ihn schwebte in
Belgien immer noch ein Kriegsgerichtsverfahren*.
*Erst am 15.März 1950 wurden die Akten über Neids Kriegsgewinne
geschlossen. Befremdet stellte der Vorsitzende des ,,Conseil de Guerre"
in Lüttich fest, daß wichtige Belastungsdokumente verschwunden waren.
Schließlich lautete das Urteil auf ein Jahr Gefängnis (durch
Internierung verbüßt) und eine Million Francs (84 000 Mark) Geldbuße.
Aber Schwager Prince wußte wieder einmal Rat. Er brachte Neid mit dem
Leiter des Travel Office der britischen Besatzungsmacht in Hamburg,
dem RAF-Major Alastair McKinnon, zusammen, der eine provisorische
Aufenthaltsgenehmigung besorgen konnte. Später beschaffte der Major
noch weitere Bescheinigungen nachdem ihm - nach seinen Angaben -
zugesichert worden war, daß seine Dienste mit einer ständigen
einprozentigen Gewinnbeteiligung am Spielcasino belohnt werden würde.
Als er dann nur ein Taschengeld erhielt, revanchierte er sich nach
seinem Ausscheiden aus der Royal Air Force durch peinliche Tips über
Prosmans, Prince und Neid an die deutschen Finanzbehörden.
Das Finanzministerium in Kiel hatte vor der Genehmigung der
Gesellschafterliste nicht einmal nach Herkunft der 150 000 Mark
gefragt, die das Handelregister für Devisenausländer Isidore Prosmans
ausweist. Die Zoll- und Steuerfahndungsstellen in Lübeck wollten es
aber genau wissen.
ach langen Verschleierungsmanövern fand Prosmans schließlich die
Version: ,,Ich habe diesen Betrag im Bundesgebiet durch Geschäfte, die
ich im einzelnen nicht angeben möchte, selbst verdient." Der Fall
wurde zunächst mit einer Buße von 50 000 Mark bereinigt. Sie tat
Prosmans nicht weh, da schon der erste Jahresgewinn aus seinem
offiziellen Spielbank-Anteil ihn hinreichend entschädigte. Der weiße
Casino-Palast wirkte wie ein Magnet.
Es meldeten sich allerdings auch die Geister der Vergangenheit. Voran
Neids Schwager Prince, der seine Vermittlungsdienste nicht umsonst
getan haben wollte. Er hatte sich sowohl für Henri Neid als auch für
den Hauptgesellschafter Prosmans bei alliierten und deutschen
Dienststellen engagiert und drängte auf Umsatzbeteiligung und
Provision. Im Hintergrund drohten alte Belastungsakten aus Princes CIC-
Zeit.
Neid wurde diesen Alpdruck erst los, als sein amerikanischer Schwager
samt Ehefrau im Mai 1952 überstürzt nach Canton im Staate Ohio/USA
abreiste. Kurz darauf erließ das Amtsgericht Hamburg einen Haftbefehl
gegen Prince wegen Devisenvergehens und aktiver Bestechung (AZ 157 Gs.
1411/52 III). Vor seiner Flucht aus Deutschland hatte Prince seinem
Schwager Neid eine hohe Abfindung abgeknöpft und in Juwelen angelegt.
Neid mußte später wegen dieser ,,Geschenke" an einen Devisenausländer
eine Buße von 10 000 Mark zahlen.
Zoll-und Steuerfahndung warfen weiterhin Argusaugen auf den weißen
Casino-Palast an der Ostsee. Die Recherchen richteten sich
hauptsächlich gegen den belgischen Millionär Prosmans wegen des
Verdachts, er habe zusammen mit Prince illegale Einfuhrgeschäfte
abgewickelt und Millionen in Deutschland verdient, ohne Zölle und
Steuern zu entrichten*. *Die eingeführten Waren sollen angeblich auf
gefälschte Freiimport-Lizenen der Jeia hereingeholt und dabei als
Geschenksendungen für ,,displaced persons" deklariert worden sein.
Der schwergewichtige Millionär Prosmans, der sich vor Jahresfrist
eine große weiße Villa an der Avenue Franklin Roosevelt 244 in Brüsse=
l-
Süd hat bauen lassen, ist ein internationaler Geschäftsmann mit
zahlreichen Handelsunternehmen im Ausland, zum Beispiel in Tanger,
Kanada und Ägypten (Spezialität: Pharmazeutika). Außerdem besitzt er
eine Fabrik in Lüttich. Im Oktober 1951 überzeugte sich Prosmans zum
letztenmal in Travemünde, wie gut das Geschäft an den neun
Spieltischen florierte. Dann kehrte er nach peinlicher Sistierung
durch die Staatsanwaltschaft des Amtsgericht Aachen der Bundesrepublik
den Rücken.
Wenige Monate später erließ das Amtsgericht Hamburg einen Haftbefehl
gegen ihn. Prosmans bat um freies Geleit; er wollte dann Aufklärung
über seine Geschäfte geben. Doch die Bitte wurde abgelehnt. Dagegen
waren die Steuerbehörden bereit, sich mit Prosmans in der Schweiz oder
in Österreich zu treffen, um eine pauschale Unterwerfungssumme
auszuhandeln. Doch Prosmans kam nicht. Als er schließlich die
Steuerforderung überhaupt zurückwies, wurde sein Spielbankanteil samt
aufgelaufenem Gewinn mit Arrest belegt.
Erst vor wenigen Wochen hat sich Prosmans, vertreten durch einen
Hamburger Rechtsanwalt, vor dem Finanzgericht in Kiel verglichen; Er
zahlte (ohne Schuldanerkennung) freiwillig 100 000 Mark Steuern und
Zölle nach und übernahm die Verfahrenskosten in Höhe von etwa 150 000
Mark. Darauf wurde der Haftbefehl aufgehoben und das blockierte
Vermögen freigegeben.
Mit diesem ungewöhnlichen Vergleich endete ein Ermittlungsverfahren,
das über drei Jahre lang auch die Spielbank Travemünde überschattet
hatte. Jetzt kann Hauptgesellschafter Prosmans wieder nach
Westdeutschland einreisen und sich selbst davon überzeugen, wie
inzwischen der Spielpalast an der Ostsee zu einer Bastion des
Fremdenverkehrs geworden ist. Der Besuch des Bades während der
Sommersaison hat sich von 1949 bis 1953 (über 33 000 Besucher) fast
verdreifacht. Trotz des verregneten Sommers meldeten sich auch in
diesem Jahr 9 000 Ausländer (das waren zehnmal mehr Ausländer als im
Jahre 1950) bei der Kurverwaltung an.
Die prickelnde Atmosphäre in dem großen weißen Casino-Palast, dessen
Farbanstrich jährlich 112 000 Mark kostet, lockt auch das ,,mittlere
Publikum" vom Badestrand an den Spieltisch. Es stellt mit seinen
Gelegenheitseinsätzen die größte Zahl der Verlierer und macht die Bank
reich. Die Nettoüberschüsse der Bank betrugen von 1949 bis 1953 bei
einer Gesamteinnahme von rund 16 821 000 Mark rund 4,7 Millionen Mark.
Im Februar 1954 kam dann das Casino Travemünde in eine ungewohnte
Situation. Nach der ersten Monatshälfte mußte die Gesellschaft den
Kommanditisten mitteilen: ,,Leider haben die Spieler sehr viel
getroffen und uns damit außergewöhnlich hohe Verluste in kurzer Folge
zugefügt . . . Verlustsaldo für uns 27 130,84 Mark."
Die Gesellschafter bekamen einen Schreck, als ihnen Direktor Neid mit
dem Datum vom 17. Februar 1954 ,,ganz besonders vertraulich" mitteilen
ließ: ,,Da die Spielbank-Reserve nur 200 000 DM beträgt und wir den
Gesellschaftern alle übrigen flüssigen Mittel bis auf den notwendigen
Betriebsmittelbedarf überlassen haben, sehen wir uns nunmehr
wahrscheinlich in der peinlichen Lage, die Gesellschafter darum zu
bitten, uns einen Teil der Vorschüsse zurückzuzahlen."
Am 22.Februar schrieb dann die Casino-Betriebsgesellschaft an den
schleswig-holsteinischen Finanzminister Dr. Schaefer: ,,Wir haben uns
in dieser Sache sowohl schriftlich als auch in einer eilig
einberufenen Gesellschafterbesprechung ebenfalls an unsere
Gesellschafter gewandt und sie um beschleunigte, zweckentsprechende
Überbrückungsmaßnahmen gebeten." Auch Neid bekam den ungewöhnlichen
Vorstoß der beiden Roulette-Könige Winkel und Puch direkt am
Monatsgehalt zu spüren. Es schrumpfte schon einmal auf 213 Mark
zusammen, denn dieses Gehalt ist mehr eine Erfolgsprämie und steht in
einem gewissen Schlüsselverhältnis zum Gewinn. Neid ist allerdings
gleichzeitig einer der Hauptgesellschafter mit 75 000 Mark
Gesellschaftsanteil und hat sich - genau wie Prosmans - vertraglich
eine besonders günstige Anteilsquote am Jahresgewinn der Spielbank
(Trotz seiner äußeren Gelassenheit läßt Neid seine Chefcroupiers je=
de
Placierung notieren, die von den ,,Spielbanden" Winkel und Puch gesetzt
wird. Er studiert genau ihre Einsätze und Coups und läßt sich auch
mitten in der Nacht den Saldenstand der Großgewinner melden. Außerdem
achtet die Direktion jetzt peinlich auf die Einhaltung der
Maximumklausel: Wo bereits ein ,,Bandenspieler" Maximum (den
höchstmöglichen Einsatz von 70 Mark je voller Nummer) placiert hat,
darf kein anderer Spieler noch einen Chip hinsetzen. Diese strittige
Situation ergab sich vor einigen Wochen, als Winkel gerade zu seiner
jüngsten Offensive ausholte. Als Benno Winkel seine vorher überlegten
Einsätze placieren wollte, erklärten Chefcroupier und Saalchef Winkels
Partie, die rund 2500 Mark eingebracht hätte, für ungültig. Er habe
regelwidrig fünf Nummern, die bereits von seinem Vis-a-vis, einem
bankrottem Variete-Unternehmer, mit dem höchstmöglichen Einsatz
gesetzt worden waren, nochmals mit dem Maximum belegt. Die Travemünder
Casino-Ordnung schreibt jedoch vor: ,,Wird an einem Tisch das Maximum
auf irgendeine Chance durch zwei oder mehrere Personen überschritten,
so ist es das Recht der Direktion, diese Überschreitung zu
untersagen."
Bis vor einigen Wochen wurde diese Klausel indes niemals angewandt.
Dazu gibt die Casino-Direktion den Kommentar: ,,Der Spielleitung ist es
überlassen, die Überschreitung . . . in Einzelfällen zu gestatten.
Nach internationalem Brauch wird Überschreitung jedoch grundsätzlich
nicht gestattet, wenn der Eindruck vorhanden ist, daß mehrere Personen
sich zu einem Zusammenspiel vereinigen. Dieses Spiel nennt man auch
Bandenspiel."durch sogenannte Vorabpunkte) vertraglich gesichert.
Roulette-König Winkel verwahrte sich gegen den Vorwurf, daß er mit
seinem Vis-=E0-vis ein Bandenspiel betreibe. Er habe zwar früher
zusammen mit ihm operiert, sich aber von ihm seit einigen Tagen
getrennt und diese Trennung der Spielbank-Direktion mitgeteilt. Es sei
allerdings Pech, daß dieser ehemalige Mitarbeiter Einblick in sein
System bekommen habe und deshalb - wenn auch dilettantisch - ihm
nachzueifern versuche. Doch der Protest nutzte nichts. Bald tuschelte
man an allen Tischen, die Spielbank-Direktion wolle sich ihres
gefährlichsten Gegners dadurch entledigen, daß sie ihn daran hindere,
seine vorher ausgeklügelten Nummern zu setzen.
Winkel wehrte diese Sonderbehandlung ab, und sein agiler Sozius, der
sich Maron nennt und Winkels Einkünfte als Schatzmeister verwaltet
(Winkel: ,,Er verfügt über die Hälfte meines Gewinnes und kümmert s=
ich
auch sehr intensiv um meine Frau"), muckte auf. Trotz der Klausel
wollen Winkel und sein Adlatus diese Woche ein neues Gruppenspiel
beginnen.
Andere Casinos reagierten ähnlich: In Mentone bei Nizza hat Winkel
nach einem Erfolgsabend vor kurzem erlebt, daß die Casinodirektion
einfach den Spielsaal für die nächsten Tage zuschloß, bis Winkel
abgereist war. Fragt Winkel: ,,Warum sollen immer nur die Spieler das
Risiko tragen? Wie viele haben schon ihre Existenz aufgeopfert. Erst
vor einigen Monaten hat sich der ehemalige Lübecker Senator
Rechtsanwalt Dr. Oppermann nach einer langen Pechsträhne erhängt. Er
hatte außer seinem eigenen Vermögen noch etwa 80 000 Mark, die ihm als
Notar anvertraut worden waren, durchgebracht." Vor solchen
Kurzschlüssen hält sich Roulette-König Winkel gefeit. Er spottet üb=
er
die makabre Atmosphäre des Spielsaals, in dem hinter den Spielern auch
die Halbwelt kauert, immer bereit, sich an einen Gewinner zu hängen.
Nicht weit entfernt davon sitzen die Spekulanten des Unglücks, die
jeden Schmuck und jeden parkenden Wagen in Kommission nehmen.
Das ist die Kehrseite aller Casinos, in denen Winkel und der nicht
ganz so erfolgreiche Wiener Systemtechniker Puch, die Schrecken der
Bankhalter, bisher über zwei Millionen Mark zusammengebracht haben.
Winkel hätte jüngst eine Spielpause eingelegt. Die Bettelbriefe und
Heiratsangebote aus aller Welt aber rissen nicht ab. Die Sage von
seinem schnell erworbenen Reichtum (den ,,Schatzmeister" Maron, Winkels
ehemaliger Schulkamerad und Intimus, hütet) strahlte sogar nach
Spanien. Eine Mutter in Sevilla offerierte ihre Tochter Dolores für
das Brautbett. Den Roulette-König aber bewegte zur Zeit ein anderes
Problem. Er überlegte, wie er seinen Spielgewinn am sichersten anlegen
kann, und trägt einen kleinen porösen Baustein, als Probe eines neuen
Baustoffes ,,Elastizell", in der Hosentasche mit sich herum.
,,Elastizell" soll durch Winkel die Welt erobern. Winkels Lieblingsplan
jedoch bleibt: sich selbst an einem deutschen Spielcasino zu
beteiligen - am liebsten an dem Travemünder Unternehmen. Dann hätte
der König endlich sein Schloß.